Bettina Szrama – Die Giftmischerin (Buch)

Serienmörderin vergiftete (nicht nur) eigene Familie

Sattlermeister Miltenberg zählt zu den reichsten Bürgern Bremens, allein seine Häuser sind rund zwanzigtausend Taler wert. So wird nach dem Tod der Schwiegertochter sein Sohn Johann Gerhard zum beliebten Junggesellen, was sich Gesche Timm, die Tochter eines Schneidermeisters, zunutze macht. 1806 heiratet sie Gerhard, muss jedoch bald erkennen, dass sein Körper voller Pusteln ist, eine Geschlechtskrankheit als Folge seines zügellosen Lebens. Neben dem Besuch von Freudenhäusern verfällt er zudem der Trunk- und Spielsucht, verliert nach und nach das väterliche Vermögen und lässt nach seinem Tod im Jahr 1813 eine verarmte Gesche und deren fünf Kinder zurück, die soeben zum ersten Mal zur Giftmörderin wurde.

„Du solltest wissen, dass dein Leben in Gefahr schwebt, wenn du diese Frau heiratest. Männer und Kinder sind ihr gestorben, und man behauptet, dass sie etwas an sich habe, das ihrer näheren Umgebung schädlich sei.“

In der Folge lernt Gesche den Weinhändler Gottfried näher kennen, der beste Freund Gerhards, der ihr 1817 auf dem Sterbebett die Ehe verspricht. Dieser Ehe standen Gesches Eltern, zwei Töchter und nicht zuletzt ihr Bruder im Weg, die zuvor binnen dreizehn Monaten starben. Während die Häufigkeit der merkwürdigen Todesfälle zum Stadtgespräch wird, kommt man von offizieller Seite nicht auf Idee, diese näher zu untersuchen. Man wäre wohl schnell auf Arsenik gestoßen.

„Das ist nun die 21. oder 22. Leiche, die ich begraben lasse, ich komme mir vor wie auf einer Hochzeit.“ Über die entsetzten Blicke, die man ihr zuwarf, zeigte sie sich erhaben. Lediglich wunderte sie sich darüber, dass ihre Taten unentdeckt blieben.

Gesche sucht neue Liebhaber, um ihren Lebensstandard zu halten, während sie gleichzeitig gegen hohe Schulden ankämpft. Es wirkt ein wenig wie ein modernes Schnellballsystem. Sie leiht sich wiederholt Geld, um einen Teil ihrer Schulden zu begleichen und bestiehlt dafür sogar ihre Untermieter. Das Morden geht derweil munter weiter bis zum Juli 1827.

Ein Spuckstein zur Erinnerung

Fünfzehn Morde konnten Gesche Margarethe Gottfried (6. März 1785 – 21. April 1831), geborene Timm, nachgewiesen werden. Wie viele Menschen ihre Mordversuche überlebten ist ebenso unklar wie ihr eigentliches Motiv. Es ging wohl vor allem um Geld, Macht und Ansehen und irgendwann nur noch um die Sucht, „Mäusebutter“ (Arsenik) möglichst oft einzusetzen. Als Deutschlands womöglich bekannteste Serienmörderin ging Gesche Gottfried in die Geschichte ein. Ihre Hinrichtung mit dem Schwert am 21. April 1831 vor geschätzten 35.000 Zuschauern ist zudem die letzte ihrer Art in Bremen.

Kleine Randnotiz: Der vorliegende Roman erschien erstmals 2009 und liegt nun in einer Neuausgabe vor. Sollte einem der Titel also bekannt vorkommen, könnte es daran liegen oder an dem gleichnamigen Roman aus der Feder von Rolf Serno, der allerdings eine andere Geschichte erzählt.

Bettina Szrama schreibt ihre Geschichte eng an der Protagonistin, wobei sie versucht, deren Ambivalenz zu ergründen. Zunächst ist sie die lustsuchende Schönheit, die recht bald vor allem auf ihren finanziellen Vorteil bedacht ist. Ein gefährliches Spiel, denn sie verstrickt sich dabei in immer größere Schulden und Abhängigkeiten. In der Bevölkerung ist sie lange gut angesehen, denn einen Teil ihres Geldes spendet sie für wohltätige Zwecke. „Der Engel von Bremen“ kann die Fassade jedoch nicht für immer aufrechterhalten. Ihre Morde lassen sich in zwei Serien aufteilen. Zunächst trifft es zwischen Oktober 1813 und Juli 1817 die eigene Familie respektive die ersten beiden Ehemänner Miltenberg und Gottfried, zwischen Juni 1823 und Juli 1827 dann Bekannte einschließlich ihrer besten Freundin und wichtigsten Magd.

„Alles habe ich nur für ihn getan. An meinen geliebten Vater, meiner Mutter, meinen geliebten Kindern und meinem Bruder habe ich mich versündigt. Nie wieder kann ich eine gute Christin werden. Oh, Gottfried, du hast mir nicht nur meine Familie genommen, nein, du hast mir mein Leben geraubt.“

Der Roman hat einige gefühlte Längen, da es zu zahlreichen „Wiederholungen“ kommt, was aber in der Natur der Sache liegt. Die Vorgehensweise bei den Vergiftungen ähnelt sich stark, ebenso die zuvor durchlaufenden Gedankengänge. Da reicht schon ein kleiner Hinweis auf etliche Reichstaler, um das Interesse zu wecken, denn Geld wird mit zunehmenden Alter immer knapper, während ihre Schönheit erkennbar verblasst. Wer sich für True Crime in Deutschland interessiert kann zugreifen, wenngleich die damalige Zeit – ihr Zwillingsbruder Christoph dient immerhin als Husar unter Kaiser Napoleon, sehr viel mehr erfährt man nicht – etwas zu kurz kommt. Am Domshof in Bremen, am Ort ihrer Hinrichtung, erinnert übrigens ein Spuckstein an den vermeintlichen „Engel von Bremen“.      

  • Autorin: Bettina Szrama
  • Titel: Die Giftmischerin
  • Verlag: Gmeiner
  • Umfang: 320 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: September 2025 (Neuausgabe; Original 2009)
  • ISBN: 978-3-8392-0858-8
  • Produktseite

Wertung: 10/15 dpt

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