
“Freunde lieben” fordert uns auf, das Normale zu hinterfragen.
Paarbeziehungen werden Freundschaften gegenübergestellt und unter dem Strich bleibt: Die Grenzen sind künstlich. Und im Vergleich schneidet die herkömmliche Paarbeziehung schlechter ab.
In “Freunde lieben” von Ole Liebl geht es darum, wie wir Freundschaften führen können und wollen. Liebl fragt, was Beziehungen von Freundschaften unterscheidet und ob es überhaupt eine Unterscheidung geben muss.
Das Buch beginnt mit der Beobachtung, dass Freundschaft + (Verbindung von Sexbeziehungen mit “Freundschaft”) in Film und Fernsehen dargestellt wird und immer mehr Menschen sich an dieses Konzept versuchen – es aber trotzdem immer in einer Paarbeziehung zu enden scheint (oder es den Hintergedanken gibt, so in eine Paarbeziehung zu rutschen). Frau und Mann können halt keine Freunde sein! – so die Message hinter dem Trope. Erst recht nicht, wenn Sex dazwischen kommt. Liebl zeigt aber, dass diese vermeintliche Unausweichlichkeit romantischer Mann-Frau-(Sex-)Beziehungen in der Realität nicht so schicksalshaft, unvermeidbar oder eindeutig ist, wie es zunächst scheinen mag.
Liebl beginnt zunächst mit der Beobachtung, dass Mann und Frau in den Medien nur in wenigen Beziehungsformen zueinander stehen können: Wenn sie nicht Geschwister oder sonst wie verwandt sind, fehlt nur wenig für die sexuelle Paarbeziehung. Freundschaft? Auf Augenhöhe? Niemals! Dass dieser Zwang nicht selbstverständlich, sondern künstlich hergestellt wurde, schlüsselt Liebl nach und nach auf und zeigt: Wie wir Beziehungen benennen und Ansprüche bestimmen, ist menschengemacht und dazu noch eine junge Erfindung. Da ist es nicht überraschend, dass Kapitalismus, Heteronormativität und das Patriarchat (wie immer, wenn es darum geht, Leuten den Spaß zu verderben) wieder mit involviert sind.
Darauf aufbauend macht Liebl klar: Wenn man Paarbeziehungen und Freundschaften gegenüberstellt und vergleicht werden, ist das Potential an Liebe, Zusammenhalt und gegenseitiger Verpflichtung nur in Sachen Titel, Steuervorteile und Besuche der Stiefmutter unterschiedlich. Das setzt aber voraus, dass eine Paarbeziehung ähnlich wie eine Freundschaft auf gegenseitigem Vertrauen und Respekt aufbaut. In beiden Beziehungsformen kann konsensueller Sex praktiziert werden und eine Freundschaft ist mit oder ohne Sex nicht weniger wert, als eine Paarbeziehung. Sind diese Aspekte in einer Beziehung nicht vertreten, handelt es sich um nicht viel mehr als eine “Situationship” (eine Beziehungsform, die die Privilegien einer partnerschaftlichen Beziehung bietet ohne Anspruch auf Treue oder gegenseitige Verpflichtung die von kurzer Dauer ist), was effektiv eine Form emotionaler Ausbeutung beschreibt.
“Freunde lieben” ist ein wichtiges Buch. Einsamkeit nimmt zu, durch Aufklärung und Queerness hat die Vielfalt an Beziehungskonzepten zugenommen und irgendwie klappen alte Beziehungskonzepte nicht mehr so richtig, in dem der*die Partner*in nur die einzige Person ist, an die das eigene Glück gekoppelt wird. Es gibt immer mehr Möglichkeiten, unterschiedliche Menschen kennenzulernen, immer wieder besondere Beziehungen, die eingegangen, Erfahrungen, die gesammelt werden können. Also, wieso sollte es an einem Titel scheitern? Wieso soll man sich persönlich an stiefmütterliche Ideale halten, wenn Alternativen in Zustimmung miteinander ausprobiert werden können?
Nicht nur wird mit dem Buch ein Thema behandelt, über das gerne gemunkelt und getratscht wird, sondern ein alternativer Blick auf Beziehungen geboten, die nicht so selbstverständlich sind, wie unsere Erziehung und Medien es gerne glauben scheinen. Liebl zeigt aber auf, wie eine Beziehung geführt werden kann – und zwar als Freundschaft.
- Autor: Ole Liebl
- Titel: Freunde Lieben
- Verlag: HarperCollins
- Erschienen: 2024
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 256
- ISBN: 978-3-3650-06283
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Wertung: 12/15 dpt






