Jan Faber – Kalte Macht (Buch)


Jan Faber - Kalte Macht (Buch)Die Kurzfassung: Der Klappentext malte das Bild eines aufgrund seiner Authentizität (»aus dem Herzen der Macht«) und atemberaubender Spannung (»Komplott von ungeheuerlicher Sprengkraft«) kurz vor der spontanen Entflammung stehenden Polit-Thrillers – das klang nach kurzweiliger Ferien- und Prä-Bundestagswahl-Lektüre. Spannend ist “Kalte Macht” auch durchaus. Und hätte unter Vermeidung einiger Webfehler und um ein Drittel gekürzt auch ein richtig starker “Politikrimi” werden können.

Das »Herz der Macht«, das ist das Bundeskanzleramt – und herinnen die Bundeskanzlerin. In diesem dünn kaschierten Schlüsselroman sind die meisten Protagonisten mühelos erkennbar: also natürlich auch unsere “Mutti”, ihr Förderer Kohl (“Walther Brass”), der ermordete Vorstandssprecher der Deutschen Bank (“Nationalbank”) Alfred Herrhausen (“Dr. Albert Ritter”), Josef Ackermann (“Jo Feldmann”) oder Wolfgang Schäuble (“Dr. Alexander Rau”). Die Heldin Dr Natascha Eusterbeck ist nicht eindeutig identifizierbar und soll dies wohl auch gar nicht sein. Doch man liegt vermutlich nicht völlig neben den Intentionen des Autors, wenn man sich die Dame wie eine CDU-Spielart von Manuela Schwesig vorstellt. Die Handlung nimmt Fahrt auf, als die bislang als MdB in der zweiten Linie agierende konservative Politikerin von der Kanzlerin selbst als Staatsekretärin ins Bundeskanzleramt berufen wird. Ihr offizieller Auftrag: Effizienzsteigerung, Bürokratieabbau. Der inoffizielle: »Wenn das hier ein Netz ist, will ich die Spinne sein,« so die Kanzlerin (S. 27). Natascha soll für sie eine »Karte der Macht« zeichnen. Dafür zeigt sich allerdings denkbar unqualifiziert, tatsächlich scheitert sie vierhundert Seiten lang vor sich hin, nur durch ihren mit-rekrutierten Ehemann Henrik, IT-Consultant, gewinnt sie wenigstens einigen Einblick in Zusammenhänge, Netzwerke und Seilschaften – durch dessen IT-Schnüffeleien.

Die Aufmerksamkeit, die dem Roman bislang in der Presse geschenkt wurde, dürfte nicht unerheblich auch daher rühren, dass all diese Buzzwords clever in die Geschichte eingewoben wurden: Bespitzelung, Lauschangriff, Fangschaltung, (Bundes-)Trojaner und sogar die liebe NSA (S. 421). Mehr soll vom Plot auch gar nicht verraten werden, außer dass er trotz einer brisanten Mixtur aus Amts-, Kindes- und Drogenmissbrauch (die meisten Politiker konsumieren hier Ephedrin wie Smarties) und Prostitution eben leider auch deutliche Längen und einige Macken aufweist. Zum Beispiel: Um die festgefahren scheinende Handlung wiederzubeleben, lässt Faber (auch das übrigens ein Pseudonym) Natascha die Identität hinter der Telefonnummer einer Hilfesuchenden von allen Menschen ausgerechnet von einem der Hauptverdächtigen (Dr. Marcus Frey) eruieren – und nicht etwa vom Sicherheitschef des Kanzleramts oder der Polizei, auch ihren Gatten fragt sie ausgerechnet diesmal nicht. Natürlich kostet das den Menschen hinter diesem Anschluss das Leben. Überhaupt Dr. Frey – der wird mal als parlamentarischer Staatssekretär (S. 37), mal als Staatsminister (S. 191), mal als Geheimdienstkoordinator apostrophiert. Das geht zwar zusammen, macht es dem nicht unbedingt intim mit den Strukturen der Bundesbürokratie vertrauten Leser aber unnötig schwer, den Überblick zu behalten.

Schließlich sind Autor und Lektorat noch anzukreiden, dass ihnen einige Karl-May-haft manierierte Formulierungen durchgerutscht sind, vor allem über etliche Vergleiche kann man hier stolpern. Persönliche Favoriten: »Das Begräbnis war eine einsame Veranstaltung«, »Der Verdacht kroch wie ein eisiges Reptil in seine Eingeweide«, »[…] und die 300 PS unter der Motorhaube seines BMW zogen die Straße wie ein gieriges Raubtier unter ihm weg«. Davon ab und wie eingangs gesagt: “Kalte Macht” bietet gute Unterhaltung.

Cover © Page & Turner/Goldmann/Random House

Wertung: 10/15 dpt


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