Howard Linskey – Killer Instinct (Buch)


Howard-Linskey-Killer-InstinctAuf “The Damage” folgt konsequent “The Dead”, im “Deutschen” krawallig zum unpassenden “Killer Instinct” – samt Knast-Tattoo-Cover – verwurstet, der dritte (und letzte?) Teil von Howard Linskeys famoser  David Blake-Reihe.

Erneut ein Lehrstück in dysfunktionalem Kapitalismus, ein Kriminalroman, in dem laufend moralische Grenzen verschoben und gebrochen werden, und dem Leser eine Hauptfigur untergejubelt wird, die zwar klug, durchaus mitfühlend und dem eigenen Reglement nach ehrenhaft handelt, sich jedoch bei genauem Hinsehen, als verschlagen, feige, opportunistisch und ziemlich hinterhältig erweist, durchaus bereit, unliebsame Konkurrenz beim nächstbesten staatlichen Killerkommando zu verpfeifen.  Es zeugt von Linskeys schriftstellerischem Geschick, dass David Blake eine, nicht nur in seinen moralischen Dilemmata, nachvollziehbare Figur bleibt, die sogar als heimlicher Sympathieträger funktioniert.

Auch im dritten Band herrscht zu Beginn eine trügerische Ruhe. Die Geschäfte laufen gut für David Blake und seine Gang. Die Konkurrenten in Edinburgh wurden freundlich einverleibt und fungieren als Partner, die Polizei ermittelt zwar permanent, aber untertourig, die Beziehung zu Ehefrau Sarah ist stabil, die mittlerweile zweijährige Tochter Emma wächst und gedeiht. Business as usual sollte man meinen.

Doch nicht ohne Grund beschleichen David immer häufiger düstere Gedanken, die in einer kleinen Identitätskrise münden, die ihn nach seinem lange verschollenen Vater suchen lässt. Nur ein kleiner Mosaikstein in einem fragilen Gebilde, über das ein Sturm hinwegbrausen wird. Waren es früher die bösen Nachbarn, die den Frömmsten nicht in Frieden leben ließen, wenn es ihnen nicht gefiel, so brechen Chaos und Zerstörung diesmal von allen Seiten, von außen wie innen, über David Blake herein. Besonders fromm war er sowieso  nie.

Das Desaster beginnt mit dem Fund einer Mädchenleiche. Bei der es sich um Gemma Carlton, der Tochter des Detective Inspectors Robert Carlton handelt. Einen Tatverdächtigen hat er gleich parat: David Blake. Nahezu parallel wird Blakes Finanzmanager Henry Baxter verhaftet und eines lange zurückliegenden Sexualmords angeklagt. In Edinburgh drängen sich aus heiterem Himmel serbische Gangster ins Geschäft, ein russischer Oligarch möchte David als Schleuser missbrauchen und als i-Tüpfelchen will Sarah endlich die genauen Todesumstände ihres Vaters erfahren. Während David gleichzeitig nach seinem eigenen Erzeuger fahndet.

Wie Howard Linskey all diese Verstrickungen unter einen Hut bekommt, sie verbindet und entzweit wo es nötig ist,  ohne dass es überfrachtet wirkt, stattdessen sogar eine gewisse Zwangsläufigkeit ausstrahlt, macht “Killer Instinct” zu einem komplexen und beträchtlichen Lesevergnügen. Mit Überraschungen und Brüchen wird nicht gespart, en passant werden moralische Entscheidungen ausgetestet und Begrifflichkeiten wie Loyalität und Ehre in Frage gestellt.

Exemplarisch am Fall Henry Baxters zu sehen, der Blakes Finanzen verwaltet. Er wird wegen eines Verkehrsdelikts verhaftet und aufgrund einer DNA-Probe eines lange zurückliegenden Sexualmordes an einer Dreizehnjährigen überführt.  Obwohl Blake die Tat für erwiesen hält und sowohl Baxter wie seine Tat verabscheut, muss er ihn vor Gericht freiboxen, da Baxter sich den alleinigen Zugriff auf Blakes Millionen gesichert hat. Was folgt ist ein finsterer Bluthandel, in dessen Verlauf David Blake seine sorgsam gewählte Positionierung des zivilisierten Verstandesmenschen mehrmals bis zur Zerreißprobe dehnen muss. Vielleicht sogar über den Zerreißpunkt hinaus.

So rational David Blake zu agieren scheint, er muss damit klarkommen, dass die Menschen um ihn herum irrational reagieren.  So folgerichtig seine Entscheidungen auch sein mögen, hat er wenig Einfluss, selbst im inneren Kreis, auf die Absichten und Handlungen seiner Mitmenschen.  Eine Thematik, die weit über den Handlungsspielraum, das kriminelle Umfeld Newcastles, hinausgeht. Der Entwurf, dass Profitorientierung, die Empathie zulässt und kluge Planung, funktioniert und für jene, die sich darauf einlassen eine stabile Gegenwart und relativ abgesicherte Zukunft verspricht, wird von Howard Linskey konsequent zerlegt. Gier und Fanatismus in jeder Form, ob gefühlsmäßig, politisch, religiös oder auf unbedingte Gewinnmaximierung bedacht, lässt sich kaum mit Verstand und Bedacht bekämpfen.

Am Ende bleibt die bittere Erkenntnis, dass der Tod die einzige Chance scheint, außerhalb eines selbstzerstörerisch laufenden Hamsterrads überleben zu können.

Selbstverständlich gelingt es Linskey ebenfalls wieder, sein geschätztes Thema “Fußball und seine Folgen” unterzubringen. Respekt, denn auch das passt ins überbordende Geschehen.

Sarkastischer Witz, der oft nur finstere Verlorenheit kaschiert, die Demontage des Raubtier-Kapitalismus in einem kriminellen System, ein ungewöhnlicher Protagonist inmitten eines Konglomerats aus Charakterstudien und intelligent eingesetzten Stereotypen, dazu ein gerüttelt Maß an Spannung: Die David Blake-Trilogie ist ein großer Wurf geworden, der in “Killer Instinct” seinen würdigen (vorläufigen) Endpunkt findet.

Cover © Verlagsgruppe Droemer/Knaur

  • Autor: Howard Linskey
  • Titel: Killer Instinct
  • Teil/Band der Reihe: 3
  • Originaltitel: The Dead
  • Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet
  • Verlag: Knaur
  • Erschienen: 03.08.2015
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 377
  • ISBN: 978-3-426-51618-8
  • Sprache: Englisch
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite beim Verlag

Wertung: 12/15 dpt


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