Warum lese ich? Aus demselben Grund, warum ich Musik höre, ins Theater gehe, einen Film anschaue, oder Kunst betrachte:
Das Kühlschranklicht scheint auf meine Füße. Ein Klischee, das ich zu schätzen gelernt habe. Aus dem Wohnzimmer dringen Gesprächsfetzen; Asche zerfällt zu Asche und die Party in ihre letzten Bestandteile. Ich lächle und suche weiter nach Essbarem. Der Chilitopf ist leer, ein paar traurige, trockene Brotreste liegen auf dem Tisch. Matschige Bissspuren verraten, dass der Kater sie auch schon entdeckt hat.
Saure Gurken, ein Käsestück, Marmelade, Senf – Apfelmus. Ich nehme das Glas. Grelles Licht explodiert an der Decke. Das Ende einer Party sieht im sanften Licht von Kerzen oder eines anbrechenden Tages so viel besser aus.
»Wie war es?«, fragst du und tippst wie nebenbei auf den Schalter, um uns dem gnädigen Schein der Straßenlaterne vor dem Fenster zu überlassen.
»Hm.« Ich fummle im Besteckschieber nach einem Löffel. Kuchengabel, Kunststoffgriff, Mokkalöffel, langer Stiel – ein Teelöffel. Er ist zu kurz für das große Glas. Wieder Fummeln nach dem langen Stiel.
»Es war…«, nuschle ich mit Apfelmus zwischen den Zähnen und weiß nicht, wie der Satz weitergehen soll. Bis gestern wusste ich nicht einmal, dass jemand darauf hätte kommen können. »…beängstigend.«
»War es nicht sicher?«
»Natürlich.«, winke ich ab. »Aber es ist trotzdem real.«
Du lächelst: »Nur, weil es in deinem Kopf ist…«, zitierst du einen alten, weisen Mann.
* * *
Wir leben in Zitaten – Fluch und Segen der Postmoderne, oder wo sind wir gerade?
* * *
»Allerdings.«, kann ich da nur antworten. »Wo warst du?«
»Star Wars.«
»Wer?«
»Ein junger Pilot. Irgendeine Nebenrolle. Ich muss mal schauen, ob er überhaupt in den Credits auftaucht.«
Ich hebe die Augenbrauen.
»Ja, inzwischen ist er ganz erfolgreich. Aber das war 1999.«
Ein Hoch auf die Zufallswiedergabe: Men in Uniform. Wir lachen beide
»Ernsthaft?«, frage ich. Du grinst nur.
* * *
Wir sind Wanderer, Springer, Reisende – Namen wie in Fantasyromanen. Wir tanzen in Fabriken, unsere Herzen schlagen links und wir töten die Zeit. Alles ist real. Überall können wir sein.
* * *
Ich bin jetzt hier. Ein dürrer Mann springt verrußt über eine Bühne.
»Wie wär’s?«, frage ich. Ewig gleiche und gleich erfolgreiche Akkorde: Hitze, Licht, Lärm – im Kessel der Arena brodelt der Wohlstand.
»Ich bin fertig.«, sagst du. Ich stelle das Apfelmusglas ab und sinke neben dem Kater auf das Sofa.
Gelangweilt hebt er den Kopf.
»Geht doch einfach ins Bett.«, sagt er und löst sich lächelnd in Rauch auf.
(Hintergrund dieses Beitrags: Sandro Abbate von schrieb auf seinem Blog novelero – Blog für Literatur nieder, warum er liest. Einige der booknerds gehen dieser Frage ebenfalls auf den Grund. Diverse andere Blogger ebenfalls. Schaut einfach mal bei Sandro vorbei, denn dort findet ihr unter seinem Beitrag eine schöne Übersicht.)
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