Nach dem wirklich sehr lesenswerten alternativen Reiseführer How to kill yourself abroad, in dem vor allem – wie der Titel ja auch schon sagt – „Reiseziele“ in aller Welt vorgestellt wurden, hat sich Markus Lesweng in How to kill yourself daheim in Deutschland, Österreich und der Schweiz umgeschaut. Schließlich kann oder will nicht jeder weit reisen müssen, um Nervenkitzel zu erleben oder seine persönlichen Grenzen auszutesten.
Nach bewährtem Rezept hat Lesweng sich absurde Risiken herausgepickt und sie auf Landkarten verortet. Da die Wege diesmal kürzer sind, für manchen mögen die beschriebenen Orte vor der Haustür liegen, ist dieser Reiseführer auf den Familienurlaub zugeschnitten. Entsprechend sind die Reiseziele und die mit ihnen verbundenen Risiken nach Gefahr, Spannung und Familienfreundlichkeit bewertet. Möchte man sich dem Geschwindigkeitsrausch auf dem Nürburgring hingeben (eher nicht familienfreundlich), bei der Besteigung des Matterhorns ausrutschen und abstürzen (mäßig familienfreundlich) oder bei einer ungeführten Wattwanderung vor Cuxhaven ertrinken (sehr familienfreundlich, wenn man vom Ertrinken absieht), in diesem Reiseführer ist für jeden etwas dabei.
Mit wunderbar schwarzem Humor packt Lesweng zu jedem der vorgestellten Orte jeweils etwas Wissenswertes oder eine Anekdote aus, sodass selbst die allerlangweiligst anmutenden Orte, an denen man beispielsweise klassischerweise nur wandern gehen oder seine Seele baumeln lassen würde – das wohlgemerkt in wunderschöner Landschaft – etwas Schillerndes und Aufregendes erhalten. So kann man in der Gegend von Lauterbrunn sicher einen friedlichen Familienurlaub verleben, alternativ kann man aber dort auch Basejumpen, weswegen das Lauterbrunntal auch „Tal des Todes“ genannt wird, denn obwohl diese Extremsportart vor allem von technisch top ausgerüsteten Profis ausgeübt wird, kommt es regelmäßig zu tödlichen Unfällen. Lesweng verquickt die Möglichkeit, als Tourist Basejumpern beim Springen zuzusehen, mit dem Risiko, von einem unkontrolliert herabfallenden Basejumper beim Picknick erschlagen zu werden, zu einem harmonischen Ganzen.
Diese Art Unwägbarkeit oder fernstliegende, aber existente Risiken hat sich der Autor bei jeder Destination gesucht und ausführlich und liebevoll herausgearbeitet. Wie sonst käme man als Tourist darauf, dass man beim Wandern in den Alpen von einer Flutwelle überrascht, von einer Kuh angegriffen oder beim Durchfahren des Gotthardtunnels durch ein brennendes E-Auto zur Flucht gezwungen werden könnte? Manches ist zwar recht an den Haaren herbeigezogen, wird aber durch die ausführlichen Erklärungen durchaus plausibel.
Zwischen diesen ortsgebundenen Sehens- und Erlebenswürdigkeiten streut Lesweng auch ein paar Kapitel ein, die spezifisch deutsche Phänome behandeln, wie beispielsweise Gewalt durch Links- und Rechtsextreme, Bandenkriminalität, selbstverschuldete Masernepidemien im Prenzlauer Berg oder das Schwächeln der Bundeswehr, sodass die Lektüre des Buches auch tatsächlich bildet, zumindest was Deutschland betrifft. Natürlich muss man die Übertreibung herauszufiltern wissen.
Als Tüpfelchen auf dem I bleiben noch die Bildunterschriften zu erwähnen, die auf den großformatigen Fotos so klein gesetzt sind, dass man ihnen zuerst kaum Aufmerksamkeit schenkt, aber sobald man die erste gelesen hat, geht man aktiv auf die Suche. Sie sorgen in ihrer herrlichen Absurdität für ein zusätzliches Grinsen.
How to kill yourself daheim ist eine wunderbare Fortsetzung von How to kill yourself abroad und hat ebenfalls einen Platz auf dem Couchtisch verdient. Es ist ein todsicherer Geschenktipp für jede und jeden, der sich jetzt schon vor öden Familienweihnachten fürchtet. Laut gelesen entfaltet es nämlich erst seine volle stimmungsauflockernde Wirkung.
- Autor: Markus Lesweng
- Titel: How to kill yourself daheim
- Verlag: Conbook
- Erschienen: 2019
- Einband: Softcover
- Seiten: 192
- ISBN: 978-3-95889-303-0
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Wertung: 13/15 dpt