Uta Seeburg – Das wahre Motiv (Buch)

Uta Seeburg – Das wahre Motiv (Buch)

Ein Preuße ermittelt im sündigen Schwabylon

Das wahre Motiv
© HarperCollins

München im Jahr 1895. Das Wittelsbacher Königshaus und allen voran der Prinzregent Luitpold fördern die Kunststadt nach Kräften. Rund dreitausend Maler und Bildhauer leben in der bayrischen Metropole, die meisten davon in Schwabing. Konservative Traditionalisten wie der sogenannte Malerfürst Franz von Lenbach und junge Anhänger der Secession stehen sich gegenüber, Streitereien über die Zukunft der Malerei sind an der Tagesordnung. Um Schwabing, welches den Ruf eines Sündenpfuhls hat und daher auch Schwabylon genannt wird, hat Wilhelm Freiherr von Gryszinski, Major der preußischen Armee und Königlich Bayerischer Sonderermittler, bislang einen großen Bogen gemacht. Sein aktueller Fall führt ihn geradewegs in eine bis dato ihm völlig fremde Welt.

Oswald Strohmayer, ein achtzehnjähriger Schüler, der in der bekannten Malschule von Anton Ažbe als Modell arbeitete, ist tot. Mit Arsen vergiftet und in einer kunstvollen Pose, die das Motiv „Der Tod des Adonis“ aus der klassischen Mythologie aufgreift, arrangiert, finden Gryszinski und seine beiden Wachtmeister den Leichnam vor. Bald gibt es einen ersten Verdächtigen, einen Malschüler von Ažbe, in dessen Skizzenmappe sich eine Zeichnung befindet, die die Szene eins zu eins darstellt. Allerdings wurde diese auch in der Malschule gestellt und diente zahlreichen Malerschülern als Vorlage. Die Zeit drängt, denn schon bald wird ein weiteres Modell ermordet, ebenfalls kunstvoll in Szene gesetzt.

München, so hatte man Gryszinski schnell klargemacht, teilte sich in zwei Bevölkerungsgruppen: die Menschen und die zugereisten. Die Menschen waren selbstverständlich die ordentlichen bayerischen Bürger, letztere Klasse wiederum bestand aus Preußen und Schlawinern. Während die Menschen in der Innenstadt sowie in Bogenhausen, Giesing, Gern und Nymphenburg wohnten, zogen die Preußen und Schlawiner, mit denen das ganze internationale Gesocks gemeint war, dass die große Kunststadt München anzog, nach Schwabing.

Während die drei Ermittler nur bedingt vorankommen, dringt Gryszinski mit seiner Frau Sophie in die Welt der Bohème ein, wobei ihm Sophie ein gutes Alibi verschafft, denn sie hat, zur völligen Überraschung ihres Gemahlen, heimlich ein Buch geschrieben. Noch dazu ein Kriminalroman, welcher kurzfristig für Irritationen sorgt, denn die geplante Veröffentlichung muss bei verheirateten Frauen von deren Ehemann genehmigt werden. Derweil sorgt der neue preußische Gesandte für zusätzliche Probleme. Er vermutet unter den Kunststudenten, dass dort eine Gruppe von Anarchisten einen Anschlag auf seine Majestät den Kaiser plant. Von Gryszinski soll sich unter den Studenten umhören, dabei ist er mit der Suche nach dem Mehrfachmörder bereits hinreichend ausgelastet. 

Zweiter Fall für Freiherr von Gryszinski führt in die Malerszene

Es empfiehlt sich den ersten Teil der Serie („Der falsche Preuße“ spielt 1894) zu kennen, da nahezu alle bekannten Nebenfiguren erneut mitwirken; vom bisherigen Gesandten einmal abgesehen. So trifft sich die Familie von Gryszinski zum allabendlichen Diner mit Otto von Grabow und Franziska Gräfin von Wurmbrand und dank des preußischen Geheimauftrages darf auch wieder der penetrante Spion Carl-Philipp von Straven als vermeintlicher Jugendfreund des Protagonisten in dessen Wohnung einziehen, um dort den täglichen Bericht persönlich in Empfang zu nehmen.

Mein Name ist Major Wilhelm von Gryszinski, die Königlich Bayerische Polizeidirektion hat mich beauftragt, den feigen Mord an Ihrem Neffen aufzuklären.“
„Zuagroaster?“
„Das ist richtig … freilich.“
„Preiße?“
„Ähem. Ja.“
„Mein armer Oswald!

Das sündige Schwabing mit seinen ausufernden Atelierfesten, zudem ist Fasching, führt zu zahlreichen Turbulenzen, die den preußischen Adeligen vor folgenschwere Erfahrungen stellt. Sein traditionelles Wertesystem muss er jedenfalls mehrfach hinterfragen, während er und damit die Leserinnen und Leser auch intensive Einblicke in die damalige Künstler-, vor allem die Malerszene, erhalten. Die bereits erwähnten von Lenbach und Ažbe sind zur zwei der bekannten, historischen Persönlichkeiten. Ein gewisses Interesse an Malerei sollte allerdings vorhanden sein, denn die Einblicke in die Szenerie sind nicht nur informativ und detailliert, sondern auch sehr umfangreich. Letztendlich findet sich natürlich hier die Lösung für die beiden Fälle, also die Suche nach dem Serienmörder und den vermeintlichen Attentätern, allerdings tritt der Kriminalplot mitunter gerne in den Hintergrund.

Uta Seeburg hat erneut einen Roman vorgelegt, der durch eine großartige Sprache überzeugt, die wiederum dazu führt, dass man anspruchsvoll unterhalten wird und es eben nicht mit einem schnell gelesenen Pageturner zu tun hat. Das Privatleben des Protagonisten hätte kürzer ausfallen dürfen, denn die täglichen Mahlzeiten und deren wiederholende Begleiterscheinungen …, aber dies bleibt natürlich Geschmacksache, was Fans von (beispielsweise) Martin Walker im positiven Sinn bestätigen werden. Keine Frage ist aber, dass man sich auf den nächsten Fall schon jetzt freuen darf.

  • Autorin: Uta Seeburg
  • Titel: Das wahre Motiv
  • Verlag: HarperCollins
  • Umfang: 400 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: Mai 2022
  • ISBN: 978-3-7499-0373-3
  • Produktseite  


Wertung: 12/15 dpt

 

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