Frauke Buchholz – Blutrodeo (Buch)
Ölindustrie gefährdet indigene Bevölkerung, nicht nur in Brasilien
Gerald „Gerry“ Steiner ist siebenundsiebzig Jahre alt, liegt im Krankenhaus von Calgary, wo er nach einem Schlaganfall gefolgt von einer Lungenentzündung dem Tod ins Auge sieht. Doch offenbar dauert einer Person dies zu lange, denn am 8. Juli wird ihm die Kehle durchgeschnitten. Das in ganz Kanada bekannte Krankenhaus fürchtet um seinen Ruf und so bittet Commissioner Bernard O’Sullivan den berühmten Profiler Ted Garner um Unterstützung. Er soll mit Samantha Stern, jüngster Chief Superintendent der Royal Canadian Police Alberta, den mysteriösen Fall untersuchen, zumal exakt zwei Monate zuvor ein vergleichbarer Mord geschah. Am 8. Mai wurde Josh Armstrong, neunundsiebzig Jahre alt, wegen Lungenkrebs im Endstadium in einem Hospiz lebend, ebenfalls die Kehle durchgeschnitten. Aber warum werden zwei alte Männer, die ohnehin nur noch wenige Tage zu leben haben, auf derart brutale Weise ermordet?
Stern ist alles andere als begeistert, mit Garner zusammenarbeiten zu müssen. Dieser hat zwar einen legendären Ruf als Profiler, gilt aber als Einzelgänger, der gerne seine Überlegenheit raushängen lässt. Erschwerend kommt hinzu, dass er vor seinem Psychologiestudium einige Zeit Philosophie studiert hat und daher gerne Schopenhauer zitiert. Arrogant, womöglich gar ein Autist oder wie Stern sagen würde „ein Arschloch“. Ein Foto aus Armstrongs Nachlass gibt einen ersten Hinweis auf eine mögliche Verbindung zwischen den Opfern. Anscheinend haben sie in Alberta für die „Northern Energy“ gearbeitet, die seit vielen Jahren mit einer umstrittenen Teersandgewinnung die Natur und damit auch die Heimat der First Nations zerstört.
Zweiter Fall für Profiler Ted Garner
Wie schon in ihrem ersten Roman „Frostmond“, spielen die First Nations eine wichtige Rolle in „Blutrodeo“, wobei dies so nicht zutrifft. Vielmehr nutzt Frauke Buchholz den Ölsandabbau und die damit einhergehende Umweltkatastrophe, um auf die schwindenden Lebensräume der indigenen Völker aufmerksam zu machen. Die Verdrängung der indigenen Menschen aus ihrer uralten Heimat und die Auswirkungen auf den Klimawandel bilden den topaktuellen Hintergrund des zweiten Falles für Ted Garner.
Mehrere Mitwirkende werden in das Zentrum der einzelnen Kapitel gestellt, wobei natürlich der Fokus auf Garner und Stern liegt, die sich bis kurz vor Schluss nicht wirklich miteinander anfreunden können oder wollen. Dafür sind beide zu starke Persönlichkeiten, verbunden mit unterschiedlichen individuellen Schwächen. Daraus ergeben sich „nette“ Dialoge, die zum Schmunzeln anregen. Dies ist auch wichtig, denn die angesprochenen Umweltzerstörungen sind tatsächlich nur schwer erträglich. Der Kahlschlag der Urwälder in British Columbia ist gewaltig, man nennt die Gegend nicht von ungefähr „Brasilien des Nordens.“
Recht früh wird Colonel Robert Garner ins Spiel gebracht, Teds Vater, der einst in Vietnam stationiert war. Das Grauen des Vietnamkrieges nimmt somit ebenfalls Platz ein, so dass den Roman eine durchgehend düstere Grundstimmung trägt. Zerstörung der Natur, Verdrängung der Ureinwohner, lang zurückliegende Kriegsverbrechen. Die Themen vermischt Frauke Buchholz gekonnt, allein die Anzahl der mitwirkenden Personen reduziert die Anzahl der in Frage kommenden Verdächtigen enorm. Sei’s drum; der Mix stimmt, der Erzählstil ist durchweg flüssig und die Spannungskurve trotzdem über weite Strecken hoch. Bleibt zu wünschen, dass es ein Wiedersehen mit Garner geben wird.
- Autorin: Frauke Buchholz
- Titel: Blutrodeo
- Verlag: Pendragon
- Umfang: 264 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: September 2022
- ISBN: 978-3-86532-810-6
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Wertung: 12/15 dpt