15 Cold Cases kurzweilig und informativ vorgestellt
David Sarno und Sascha Lapp, die unter anderem True-Crime-Formate für das ZDF produzieren, legen mit ihrem Buch „Das Prinzip Mord. Wahren Verbrechen auf der Spur“ eine abwechslungsreiche Sammlung mit fünfzehn Mordfällen vor, von denen die meisten als Cold Cases zwischenzeitlich in den Aktenschränken verschwanden. Doch regelmäßig werden derartige Fälle, man spricht auch von „Nassen Fischen“ – Volker Kutscher betitelte seinen ersten Gereon-Rath-Krimi nicht grundlos „Der nasse Fisch“ -, immer wieder aufgerollt, um zu prüfen, ob es neue Ermittlungsansätze gibt, die eine Lösung des Falles ermöglichen könnten. Da im vorliegenden Buch viele ältere Fälle dabei sind, erleben wir häufig den neuen Ermittlungsansatz namens DNA-Analyse; eine Methode der forensischen Kriminaltechnik. Erst seit 1998 gibt es eine DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt.
Der langwierigste Fall beschäftigte zuletzt Uwe Picard, der als Gymnasiast einst die Berichte über die Ermordung der 17-jährigen Carmen Kampa im Jahr 1971 verfolgte. Der Fall entwickelte sich zu einem der größten Justizirrtümer in Norddeutschland. Der vermeintliche Mörder erhielt über zwölf Jahre Haft, wurde aber aufgrund der dürftigen Beweislage nach erfolgter Revision freigesprochen. Picard entschloss sich Jura zu studieren und Jahrzehnte später, er arbeitet längst als Staatsanwalt, landet die Ermittlungsakte auf seinem Tisch. 2011 gelingt es ihm, den Mordfall aufzuklären; der Mörder ist da schon lange verstorben (2003).
Verbrechen von 1971 bis 2013 zeigen Entwicklungen der Ermittlungsarbeit
Wer sich für wahre Verbrechen interessiert, findet eine ordentliche Auswahl an Literatur und muss sich womöglich entscheiden, ob er in einen Einzelfall detailliert einsteigen will oder lieber mehrere Fälle verfolgen möchte. In letztgenanntem Fall ist man hier genau richtig. Kurzweilig erzählt, kein Fall umfasst zwanzig Seiten, bleibt es zwar teilweise etwas oberflächlich, aber als „Lektüre für zwischendurch“, beispielsweise auf der Zugfahrt zur oder von der Arbeit, ist es bestens konsumierbar.
Die meisten Opfer und Täter werden allerdings nicht namentlich genannt, wahlweise aus Rücksichtnahme gegenüber den Opfern und deren Angehörigen oder den Persönlichkeitsrechten der Täter. Nun gut. Weniger gelungen sind einige Petitessen, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Das Wort „tatsächlich“ kommt inflationär oft vor, da hätte man gerne mal ein Synonym verwenden dürfen. In einem Beitrag taucht das Wort tatsächlich drei Mal auf einer Seite auf. Es soll wohl für zusätzliche Dramatik sorgen. Dies würde auch erklären, warum einzelne Sätze unterstrichen sind, deren Auswahl sich nicht erschließt. Und gar nicht sinnhaft erscheint, dass einzelne Sätze – wohlgemerkt Sätze der Autoren – geschwärzt und damit unleserlich gemacht wurden. Was soll das?
Ebenfalls unverständlich ist die Anordnung der Fälle, die in ihrer zeitlichen Abfolge vogelwild durcheinandergehen. Der erste geschilderte Mord geschah 1987, der zweite 2013, der dritte 1981 und so geht es munter hin und her. Letztlich ist es trivial, aber eine chronologische Reihenfolge wäre besser gewesen, nicht zuletzt zum wichtigen Verständnis, wie sich die Ermittlungsmethoden, vor allem aber die Kriminaltechnik entwickelt hat. Stichworte: Mikrospuren und DNA. Durch die zeitlichen Sprünge gibt es mal moderne Methoden, dann wieder nicht.
Genug gemeckert und es bleibt abschließend nochmals festzuhalten: Wer sich für eine gut gemischte Fallsammlung interessiert, ist hier richtig! Zahlreiche Fotos aus den Ermittlungsakten runden den insgesamt positiven Eindruck ab und zudem gibt es noch ein lesenswertes Interview mit dem Karlsruher Mordermittler Wolfgang Metzger, aus dessen Ermittlertätigkeit zwei Mordfälle ausgewählt wurden. Einer ereignete sich am Titicacasee im 11.000 Kilometer entfernten Bolivien und Metzger hätte wohl den Mörder seiner gerechten Strafe zugeführt, wenn nicht die „Kollegen“ in Südamerika ein offenbar anderes Arbeits- und Rechtsverständnis gehabt hätten.
- Autoren: David Sarno, Sascha Lapp
- Titel: Das Prinzip Mord
- Verlag: emons: truecrime
- Umfang: 256 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: September 2022
- ISBN: 978-3-7408-1591-2
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