Steven Uhly – Die Summe des Ganzen (Buch)


Psycho-Duell im Beichtstuhl

Padre Roque de Guzmán ist Seelsorger in einer Madrider Gemeinde. Neben der Leitung des Knabenchors gehört zu seinen Aufgaben auch den Gemeindemitgliedern regelmäßig die Beichte abzunehmen. Eines Tages erscheint ein Fremder, der ein Verbrechen gesteht, dessen besondere Brisanz darin liegt, noch gar nicht begangen worden zu sein.

Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Kann das angedeutete Verbrechen noch rechtzeitig vereitelt werden?

„  ‚Ich habe gesündigt, Padre‘, sagt der andere. ‚Nicht in Wort und Tat, aber im Geist, in Gedanken habe ich gesündigt,
und ich fürchte mich vor dem, was den Gedanken entspringen kann.‘
‚Erzähl mir von deinen Gedanken, mein Sohn‘, sagt der Padre, der froh ist, dass endlich es wieder um etwas Konkretes geht.
‚Ich wage es kaum auszusprechen, Padre. Die Macht der Worte ist so groß.‘ “
Seite 18

Das Gespräch zwischen dem Padre und dem zunächst unbekannten Sünder entwickelt sich zu einem atemlosen Psycho-Duell, dessen Intensität durch die kammerspielartige Kulisse des Beichtstuhls noch gesteigert wird. Immer wieder werden die beiden Kontrahenten unterbrochen, um dann erneut aufeinanderzutreffen. Die Begegnung zieht sich über mehrere Tage hin. Uhly setzt diese Cliffhanger ganz bewusst ein, um die Spannungsschraube immer weiter anzuziehen.

Durch dezente Hinweise auf die Pandemie verortet der Autor seinen Roman in ein Madrid der 2020-er Jahre. Der zeitliche Kontext verweist deutlich auf den in diesen Jahren besondere mediale Aufmerksamkeit erregenden Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche.

Ein dunkles Psychogramm des Bösen entsteht. Die anfänglich klare Rollenverteilung zwischen Kirchenmann und Sünder weicht kontinuierlich auf. Der Autor streut Hinweise auf die jeweilige Vergangenheit seiner Protagonisten ein. Die Grenzen zwischen Schuld und Reue verschwimmen. Nichts bleibt, wie es auf den ersten Blick scheint.

„Den Priester schaudert es bei dem Gedanken an ihr letztes Gespräch. Mal bezichtigt der Sünder sich selbst, dann wieder möchte er
seine widernatürlichen Gefühle rechtfertigen, als würde er in zwei Welten leben, in einer Welt der Wünsche und einer Welt des Gewissens.
Und tun wir das nicht alle irgendwie?,  fragt er sich. (…) Gott sei Dank ist er diesem Schicksal entgangen.
Ist er?“
Seite 46

In immer enger werdenden Kreisen drehen sich die Protagonisten um die Begriffe Schuld und Verdrängung. Uhly entlarvt das katholische Konzept von Reue und Vergebung als ein Instrument, um sich der Verantwortung einer kriminellen Handlung zu entziehen. Eindringlich schildert er die Perspektive der Opfer, die in diesem katholischen Konzept deutlich zu kurz kommen.

Uhly bricht die Enge des Beichtstuhls auf und lässt das Licht der Öffentlichkeit hinein. Sein Anliegen ist das Sichtbarmachen der Täter sowie deren Überantwortung an die weltliche Justiz.

Der Roman endet durchaus überraschend. Die Spannung bleibt so bis fast zur letzten Seite erhalten. Steven Uhlys Roman „Die Summe des Ganzen“ ist eine gelungene Kombination aus nervenaufreibender Unterhaltung und relevantem Thema von aktueller Brisanz.

  • Autor:  Steven Uhly
  • Titel:  Die Summe des Ganzen
  • Verlag:  Secession Verlag
  • Erschienen:  Juni 2022
  • Einband:  Gebundene Ausgabe
  • Seiten:  160 Seiten
  • ISBN:  978-3966390484


Wertung: 13/15 dpt

  • Autor:  Steven Uhly
  • Titel:  Die Summe des Ganzen
  • Verlag:  Secession Verlag
  • Erschienen:  Juni 2022
  • Einband:  Gebundene Ausgabe
  • Seiten:  160 Seiten
  • ISBN:  978-3966390484


Wertung: 13/15 dpt


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