Autorinnen im Porträt: Die unbändige Fantasie der Schwestern Brontë


Der Literaturpodcast „Autorinnen im Porträt“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, in jeder Episode eine Schriftstellerin in den Fokus zu rücken. Dabei schauen wir auf das Leben der Autorin und auf ihr Werk. Wer wir sind? Mariann Gáborfi und Sarah Teicher aus Leipzig. Wer mehr über die Entstehung des Podcasts erfahren möchte, schaut am besten noch einmal in die erste Folge der Kolumne: Autorinnen im Porträt und der Begriff der Frauenliteratur.
Da wir ebenfalls Redakteurinnen bei Booknerds.de sind, haben wir beschlossen, zu dem im März 2022 gegründeten Podcast eine begleitende Kolumne zu schreiben. In diesem Teil der Kolumne begibt sich Mariann auf die fantastische Reise der Bront
ë Schwestern.

Die Schwestern Brontë ©Insel Verlag

Ob nun Mittelerde, Terabithia, das Wunderland, die Scheibenwelt oder auch das Königreich Narnia – Fantastische Welten begegnen uns häufig in der Literatur und sind in einer herausragenden Vielfalt vertreten, sodass jede und jeder sich seine ganz eigene wählen und in sie hineinflüchten kann. Groß ist die Versuchung sich dem Eskapismus hinzugeben, den eh jedes Buch in sich birgt, warum dann nicht gleich in eine ganze Welt verschwinden oder sich diese selbst erfinden?!

In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhundert finden sich in einem alten Pfarrhaus in Yorkshire die Geschwister Brontë zusammen, um regelmäßig in ihre ganz eigene Welt einzutauchen. Diese setzt sich aus den Reichen Angria und Gondal zusammen. Sie schreiben Geschichten, die in diesen Welten spielen und führen sogar Theaterstücke auf, die sie zuvor selbst inszeniert haben. Woher die Kinder diese Ideen nehmen, lässt sich nur vermuten, denn das Haus, in dem sie leben, befindet sich in Haworth, in der Hochebene von Yorkshire inmitten der rauen und kalten Landschaft der Hochmoore. Dass dort Werke wie „Sturmhöhe“ entstehen werden, welches das bekannteste Werk Emily Brontës darstellt, lässt sich nachvollziehen, da sich in ihrem Roman die toxische Liebe zwischen Heathcliff und Catherine nicht unwesentlich in der Rauheit, Trostlosigkeit und Kühle der Moore widerspiegelt. Die Idee, zu den Fantasiewelten Angria und Gondal, die scheinbar wesentlich zum kreativen Schaffensprozess der Geschwister beigetragen haben, könnte unter anderem von der Lesebegeisterung herrühren, die früh bei den Kindern vorhanden war. Neben Bruder Branwell hatten auch Charlotte, Emily und Anne Zugang zur Bibliothek des Vaters, was für diese Zeit nicht selbstverständlich war. Auch eine Kiste mit Holzfiguren, die der Vater den Kindern schenkte, schien eine Rolle beim Erfinden der Reiche zu spielen. Bis heute werden diese auch als Art Einstieg in die düsteren Welten der Geschichten der Schwestern gesehen, da auch Angria und Gondal eher von einer dunklen Natur zeugen.

Hört hier die Folge vom 22.05. 2022: Die Schwestern Brontë im Porträt

Es ist bemerkenswert, wie früh sich bei den Schwestern der Charakter ihres Schreibens langsam herausbildete und doch jede ihren ganz eigenen Stil fand. Während sich Charlotte mit ihrem Buch „Jane Eyre“ stark auf die Persönlichkeit und das Recht auf Selbstbestimmung der weiblichen Protagonistin fokussiert, ist es bei Emily Brontë, in ihrem Werk „Sturmhöhe“, die desaströse Beziehung zwischen den Charakteren, die damals wie heute für Aufsehen sorgt. Bei Anne Brontë ist es in „Die Herrin von Wildfell Hall“ die junge Witwe Helen Graham, die sich auf ihrem Lebensweg emanzipiert und für eine gleichberechtigte Behandlung in der Ehe kämpft. Das ist mit ein Grund, warum dieses Werk zu einem der ersten feministischen Romane gezählt wird.  

Bis heute wirken die Gedanken von Charlotte, Emily und Anne nach. Viele Künstlerinnen und Künstler haben sich im Laufe der Jahre von diesen Frauen beeinflussen und deren kühlen Prosa mitreißen lassen. So auch die Autorin Sylvia Plath – pssst… ihr haben wir auch schon eine Folge gewidmet – die das Gefühl der Einsamkeit und der Verzweiflung in ihrem Gedicht „Wuthering Heights“ aufgreift.

Die Horizonte umringen mich wie Reisig den Scheiterhaufen Sylvia Plath, Gedicht Wuthering Heights

Ein Blick aus einem Fenster, das auf einen mehr als überfüllten Friedhof gerichtet ist, die Kühle und Einsamkeit eines Hochmoores gepaart mit dem unbändigen Bedürfnis zu Schreiben und sich eigene Welten zu erdenken, haben zu Romanen geführt, die heute zur Weltliteratur zählen. Man kommt kaum umhin, sich selbst in diese Welt der Schwestern Brontë zu denken, die uns bis heute mit ihren Werken beeinflussen und die Fantasie zum Erblühen bringen, gleich dem Heidekraut, das die Kühle der Moore mit einer hoffnungsvollen Samtigkeit überzieht.

In der nächsten Kolumne wird euch Sarah wieder eine unserer Autorinnen näher bringen. In der Zwischenzeit seid ihr herzlich eingeladen, auf unseren Social Media Kanälen auf Instagram und Facebook vorbei zuschauen. Wir sind immer daran interessiert, welche Autorin(-nen) ihr spannend findet. Lasst uns gerne eine Empfehlung da.

Eure Mariann


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