Geschichte ist etwas Faszinierendes und Wunderbares. Seit jeher ist die Menschheit darauf erpicht, mehr über das Leben ihrer Vorfahren zu erfahren und sich mit den Gepflogenheiten vergangener Zeiten zu beschäftigen.
Bei der Vielzahl an Büchern, Artikeln, Dokumentationen, Filmen, Serien, Podcasts und Videos auf sämtlichen Videoplattformen, die seit Jahrhunderten veröffentlicht wurden und werden, ist es jedoch nicht verwunderlich, dass im Laufe der Zeit zahlreiche falsche Behauptungen entstanden.
Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Marie Antoinette, der dekadenten Königin Frankreichs, die, hoch oben in ihrem Elfenbeinturm, verblendet von ihrem Reichtum und blind für die Armut ihres Volkes, den so berühmten wie niederträchtigen „Dann sollen sie doch Kuchen essen“-Ausspruch tätigte, der die Revolution auslöste?
Oder die von dem psychopathischen Kaiser Nero, der, über den Dächern des von ihm höchstpersönlich in Brand gesetzten Roms, auf einer Fidel musizierte?
Auch, dass Napoleon klein war, Carl Benz das Auto erfand, im Mittelalter Millionen von Frauen der Hexerei bezichtigt und verbrannt wurden* und die Pyramiden von Sklaven erbaut wurden, hat jeder schon mal gehört.
Und Hitler mag ein Monster gewesen sein, aber immerhin hat er die Autobahn gebaut.
Mit all diesen Mythen, von denen einige auf Missverständnissen beruhen, andere auf falschen Zeitangaben, manche politische Hintergründe haben und wieder andere nur dazu dienen, einzelne Menschen oder ganze Völkergruppen zu diffamieren, räumt die Historikerin Jo Teeuwisse auf.
In leserfreundlich kurzen Kapiteln und mitunter sehr humorvoll erklärt sie den Ursprung des jeweiligen Mythos und widmet sich dessen Widerlegung, wobei sie Einblicke in ihre Arbeit als „Fake History-Detektivin“ gewährt.
Dabei spart sie nicht mit zahlreichen weiteren Hintergrundinformationen und den eigentlichen Geschichten, die hinter den Mythen stehen und die nicht selten spannender als der Mythos selbst sind.
Der Schreibstil ist äußerst angenehm und auch komplizierte Begebenheiten werden sehr verständlich dargelegt. Auf diese Weise gelingt es Teeuwisse, ihre Leser auch für Geschichtsabschnitte zu begeistern, die sie möglicherweise vorher nicht sonderlich interessierten.
Interessant ist auch die beim Lesen immer wiederkehrende Erkenntnis, wie sehr sich bestimmte Bilder auch im eigenen Kopf festgefahren haben. Prägnant ist hierfür das des düsteren, primitiven Mittelalters, in denen die Menschen keinerlei Hygiene kannten und statt verseuchtem Wasser lieber gleich Bier tranken, wohingegen die vorangegangene Antike mit prunkvollen Bädern und teuren Gewändern assoziiert ist.
Diesen Irrtümern auf die Spur zu kommen bereitet große Freude und es bleibt zu hoffen, dass sich Teeuwisse einem weiteren Band widmen wird.
„Fake History“ ist eine sehr gelungene Lektüre für jeden Geschichtsliebhaber und für alle, die ihren Blick auf unsere gegenwärtige, vergangene und zukünftige Geschichte schärfen wollen.
*Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: Es wurden in der Tat Frauen der Hexerei bezichtigt und hingerichtet, jedoch nicht Millionen und auch nicht bzw. nur selten im Mittelalter
- Autor: Jo Hedwig Teeuwisse
- Titel: Fake History – Hartnäckige Mythen aus der Geschichte
- Originaltitel: Fake History
- Übersetzer: Ralf Pannowitsch
- Verlag: Heyne
- Erschienen: 11/2023
- Einband: Paperback
- Seiten: 432
- ISBN: 978-3-453-60661-6
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Cover: © Heyne
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