Von den Kleinen Antillen bis Kap St. Vincent
1784 erhält der sechsundzwanzigjährige Captain Horatio Nelson den Auftrag, zu den Kleinen Antillen zu segeln, um dort die Einhaltung des Navigation Act sicherzustellen. Mit anderen Worten soll er in Westindien den Schmuggel zwischen englischen und amerikanischen Kolonien unterbinden. Dieser erfolgt sehr lebhaft, denn warum soll man für englische Waren aufgrund hoher Zölle viel Geld bezahlen, wenn vergleichbare oder sogar bessere Produkte günstiger zu haben sind?
Admiral Sir Richard Hughes, Nelsons Vorgesetzter auf den Inseln über dem Winde, hält von Befehlen der Admiralität wenig, denn schließlich ist London weit weg und außerdem kann man sich sein Wegschauen ja gut entlohnen lassen. Ein Unding für den äußerst pflichtbewussten Nelson. Es kommt bereits unmittelbar nach seiner Ankunft zum großem Disput, so dass sich der Captain entschließt direkt nach Antigua weiter zu segeln, wo sich mit dem dortigen Amtsinhaber der Streit allerdings wiederholt. Als Nelson von amerikanischen Schmugglerschiffen vor der Insel Nevis erfährt, will er diese umgehend aufbringen, schließlich leben er und seine Männer von den so zu erwartenden Prisen.
Es kommt zu einem Aufstand. Nur mit Hilfe des Präsidenten des Inselrates von Nevis kann sich Nelson retten, findet bei diesem Unterschlupf und lernt in dessen Nichte seine künftige Ehefrau kennen. Doch das Abenteuer in Westindien ist schnell zu Ende, denn neue Aufgaben im Mittelmeer warten.
Packender Auftakt der Dilogie
Mac P. Lorne hat einen packenden Auftakt seiner Nelson-Dilogie vorgelegt, die im Dezember 2024 mit „Admiral Nelson“ fortgesetzt und abgeschlossen wird. Lorne startet seinen Roman zu einer Zeit, in der Nelson Stationskommandant auf den Kleinen Antillen wird und übergeht somit seine ersten fünfundzwanzig Lebensjahre. Ein guter Einstieg, denn so ist man gleich im Zentrum des Geschehens und wir lernen einen von Ehrgeiz getriebenen und der Admiralität des Königs zutiefst verpflichteten Seemann kennen, der es zum berühmtesten Seehelden Englands bringen wird. Inhaltlich geht es neben dem eingangs erwähnten Szenario in Westindien später um den Kampf gegen die Franzosen in Toulon, die Einnahme von Korsika bis hin zur Schlacht am Kap St. Vincent und endet mit – wenig Überraschung – der Ernennung zum Admiral.
Nelson ist ein impulsiver Charakter, wagt schon mal gegen die Regeln zu verstoßen und damit wegen Insubordination den Gang vor das Kriegsgericht zu riskieren, ist aber ein umsichtiger Kapitän und vor allem ein brillanter Stratege, wenngleich mit Hang zum Draufgängertum. Nicht selten ist er bei Kämpfen in der sprichwörtlichen ersten Reihe zu finden, verliert auf Korsika sogar ein Augenlicht. Seine ihm unterstellten Gefährten verehren ihn, bei der Admiralität gehen die Meinungen aufgrund seiner Einzelgänge auseinander.
„Captain Nelson“ bietet alles, was das Seefahrer-Genre zu bieten hat. Sehr viel Seemannslatein, welches man als Laie hinnehmen muss, große und kleinere Schlachten, amouröse Abenteuer (das größte folgt in Band zwei) und interessante Einblicke in die damalige Zeit und deren politischen Machtverschiebungen. Mittendrin Spanier und Franzosen, bei Letzteren ein gewisser Napoleon Bonaparte dabei, der später bekanntlich Kaiser wurde, sowie Italiener und Österreicher. Es ist überraschend, dass über Englands bekanntesten und bedeutendsten Seehelden noch kein Roman in deutscher Sprache mit diesem als Protagonist vorliegt. In seinen Anmerkungen weist Mac P. Lorne darauf hin, dass es bereits so ähnlich bei Eudo von Aquitanien, El Cid und Richard Löwenherz war. Fans des Historischen Romans danken daher dem Autor, dass er diese Lücken ebenso informativ wie unterhaltsam geschlossen hat. Hut ab!
- Autor: Mac P. Lorne
- Titel: Captain Nelson – Unter der Flagge des Königs
- Verlag: Knaur
- Umfang: 400 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: September 2024
- ISBN: 978-3-426-44846-5
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Wertung: 13/15 dpt