Brutale Frauenmorde. Damals wie heute. Die weiße Stunde.
Die bekannte Gesellschaftsdame Marita Hochmeister feiert gewohnt opulent ihren vermeintlich fünfunddreißigsten Geburtstag. Wenige Stunden später wird am Morgen des 8. April 1923 ihre Leiche gefunden. Brutal erschlagen, das Gesicht nahezu unkenntlich und mit einer Decke zugedeckt liegt sie in ihrem Schlafzimmer. Kriminalinspektor August Emmerich und sein Mitarbeiter Ferdinand Winter übernehmen den Fall, der sie bald vor große Herausforderungen stellen wird. Hochmeister hatte sehr reiche Liebhaber, die sie zuletzt erpresste, nachdem ihr zunehmend das Geld ausging. Auch ein Maler, der erst kürzlich ein Portrait von ihr fertigte, verlangte seine Bezahlung; es kam zum lautstarken Streit.
Heinrich Wertheim, einst Leiter der Abteilung Leib und Leben, bietet Emmerich seine Hilfe an, denn vor dem Krieg, genauer vor zehn Jahren, gab es drei Frauenmorde, bei denen der Täter auf die gleiche Weise vorging. Für Wertheim stand damals fest, dass der Mörder Arnold Kundgraber sein musste, allerdings gab ihm dessen Haushaltshilfe ein Alibi für zwei der drei Morde. Emmerich und Winter wollen Kundgraber befragen, doch seine Eltern wissen nicht, wo er sich aufhält. Postkarten zeigen, dass er in den letzten Jahren offenbar europaweit unterwegs war.
Als eine weitere junge Frau auf die gleiche Weise wie Hochmeister ermordet wird, gerät plötzlich Wertheim selbst unter Verdacht, da er beide Frauen kannte.
Sechster Fall der anspruchsvollen August-Emmerich-Reihe
Die August-Emmerich-Reihe von Bestsellerautorin Alex Beer (Daniela Larcher) geht in die sechste Runde, worauf ihre Fans lange warten mussten, denn der Vorgänger „Der letzte Tod“ erschien bereits 2021. In der Zwischenzeit startete Alex Beer eine neue Serie um den Meisterdetektiv Felix Bloom, von dem bereits zwei Bände erschienen sind („Der Häftling aus Moabit“ und „Der Schatten von Berlin“).
Nun also wieder August Emmerich, der grantelnde und mitunter fluchende Ermittler, der mit seinen Kraftausdrücken ordentlich in die Schimpfwortkasse einzahlt. Dabei bleibt dank extrem hoher Inflation ohnehin kaum was vom Geld übrig. Zudem sind die Folgen des Ersten Weltkrieges weiterhin unübersehbar. Versehrte säumen die Straßen, die Selbstmordquote ist auf Rekordniveau, so dass sich der aus einem früheren Band bekannte Friedhof der Namenlosen rasant füllt. Es ist aber auch die Zeit der Spekulanten und Superreichen, allerdings ebenso der zunehmend erstarkenden Hakenkreuzler.
Wie von den Vorgängern gewohnt, lässt Alex Beer die Stadt Wien zu einer bildgewaltigen Kulisse erstarken und dabei historische Gegebenheiten einfließen, welche in einem Nachwort näher erläutert werden. Privat geht es für Emmerich ebenfalls turbulent weiter, denn nachdem er über Jahrzehnte seine Eltern gesucht und endlich gefunden hat, sind diese auch schon wieder verschwunden. Immerhin hat er von seinem ihm unbekannten Vater, einem Baron, eine Villa geerbt, die allerdings recht baufällig ist; sehr zum Leidwesen der betuchten Nachbarschaft. Ein Schlüssel, der ebenfalls zum Erbe gehörte, könnte die ersehnte, finanzielle Hilfe bedeuten, doch es ist wie verhext. Sämtliche öffentliche Schließfächer der Stadt hat Emmerich abgeklappert, aber er passte nie. Ausgerechnet sein alter Spezi Veit Kolja kann helfen, aber dieser verlangt natürlich wie immer eine Gegenleistung.
Derweil geht die Mordserie weiter und dank mehrerer in Frage kommender Täter bleibt die Spannungskurve auf konstant hohem Niveau. Historische Fakten werden mit einem spannenden Krimiplot gemischt, die beißenden Kommentare von Emmerich sorgen für leichtes Schmunzeln und der beste Satz steht am Ende des Romans: „Diese Geschichte war noch nicht erledigt.“
- Autorin: Alex Beer
- Titel: Die weiße Stunde
- Verlag: Limes
- Umfang: 368 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: September 2024
- ISBN: 978-3-8090-2765-2
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Wertung: 12/15 dpt