Nach dem viel beachtetem Debüt-Roman „Ist hier das Jenseits, fragt Schwein“ von Noemi Somalvico ist inzwischen auch ein Erzählband der Autorin erschienen. „Das Herz wirft in der Brust keinen Schatten“ lockt der poetisch klingende Titel und weckt erneut eine hohe Erwartungshaltung bei den Leser:innen.

Dieses Versprechen löst Somalvico größtenteils ein. So unterschiedlich die einzelnen Erzählungen auch sind, ihr Erzählton verzaubert erneut durch die flirrende Leichtigkeit, in die sie die Schwere des Seins kleidet. Man möchte viele ihrer Sätze groß markieren, um sie später immer wieder hervorzuholen. Somalvico besitzt einen ganz eigenen Sound, den sie auch in diesen Texten wieder ausgiebig zum Klingen bringt.
Natürlich gibt es – anders als bei einem Roman – keine durchgehende Storyline. Jede Erzählung bringt ihre eigene Handlung bzw. Stimmung mit. Hier ist es oft mehr Stimmung als Handlung, die die Autorin in ihren Texten transportiert.
Ihre Protagonisten bewegen sich wie Märchenfiguren durch eine Welt, die nicht die ihre zu sein scheint. Ihr Handeln wirkt nicht selten realitätsfremd. Vielmehr agieren sie so, als ob sie durch ihre Sicht auf die Dinge eine eigene Realität erzeugen, eine, die Somalvico durch ihre Poesie auffängt und wiedergibt.
Die Erzählungen, vierzehn sind es insgesamt, kreisen um das Thema Liebe bzw. deren Abhandenkommen. Um das Suchen nach einem Platz in der Welt. Und auch ums Schreiben und die Macht der Worte.
Somalvico variiert diese Themen auf vielfältige, fast spielerische Weise. Dieses Spiel ist Programm. In der Kontinuität, mit der die Autorin um diese Themen kreist, liegt Verlässlichkeit. Mit ihrer Prosa erzeugt sie einen vertrauten Raum für den Dialog mit ihrer Leserschaft.
Der Liebe wird in diesem Dialog der meiste Raum gewährt. Somalvicos Protagonist:innen treibt eine unstillbare Sehnsucht an. Die Liebe erscheint ihnen als eine Art sinnstiftende Kraft, als Überbrückerin menschlicher Gegensätze, als ein Ideal, das am Ende unerreichbar bleibt. Die Autorin teilt diese grundsätzliche Erkenntnis mit uns und erzeugt so ein Gefühl gegenseitigen Verstehens. So wird die Melancholie, die den Ausgang jeder einzelnen Erzählung färbt, zur eigentlichen Botschaft. Denn Somalvicos Melancholie ist Trost.
Die Schönheit der Sprache, die poetische Interpretation des Alltäglichen, die Wiederkehr gleicher Themen – all das lädt dazu ein, die Prosa der Autorin zu genießen wie eine Schachtel Pralinen.
So folgt der Lese-Empfehlung an dieser Stelle der Tipp, die Lektüre am besten mit kleinen Unterbrechungen zu genießen. So entfaltet der Klang der Somalvico’schen Prosa seine größte Wirkung.
- Autorin: Noemi Somalvico
- Titel: Das Herz wirft in der Brust keinen Schatten
- Verlag: Voland & Quist
- Erschienen: September 2024
- Einband: Gebundene Ausgabe
- Seiten: 216 Seiten
- ISBN: 978-3863914219

Wertung: 12/15 dpt