Peter Meisenberg – Zoff (Buch)

Kohlmeisen, Rassismus und ein Bauskandal in “Zoff”

Jakob Löhr betreibt seit nunmehr sechs Jahren das Café „Zero“ unweit der durch den Kölner Karneval berühmt-berüchtigten Zülpicher Straße im Kwartier Latäng. Dort kam es gegen Mitternacht zu einem missglückten Drogengeschäft, einem Messereinsatz und einem Toten. Wie Löhr am nächsten Tag der Presse entnehmen kann, flüchtete der Verdächtige „Sascha aus Efferen“ ausgerechnet durch sein Café respektive das Fenster des Toilettenraums vor der Polizei. Löhr, ehemals Kommissar, ist im Ruhestand, will seine Ruhe haben und sich aus allem raushalten. Sein einziges Engagement gilt den Vögeln, die er von seinem Balkon im Yitzak-Rabin-Platz beobachten kann. Doch hier stimmt einiges nicht, denn fünf der sechs Kohlmeisenpaare haben aufgegeben, ihre Brut zu füttern. Löhr macht sich schlau und findet heraus, dass offenbar das von der Stadt mit der Baumpflege beauftragte Subunternehmen seiner Arbeit nicht nachkam, wodurch die Platanen unter einem Pilzbefall leiden, der wiederum dafür sorgt, dass die Vögel keine ausreichende Nahrung finden.

„Das ihre Tochter Altphilologie studiert, kann sie immer noch nicht begreifen. Sie war doch immer ein so lebenslustiges Kind.“

Der mehrfachen Vogelsterben muss Löhr natürlich nachgehen, doch dann erhält er Besuch von einer jungen Frau, die sich als Leonie, seine Nichte, vorstellt. Ihr Freund Samir, ein Syrer, ist in die Drogengeschichte der letzten Nacht hineingeraten und seitdem flüchtig. Als er wenig später bei Leonie Unterschlupf sucht, wird er verhaftet und gilt fortan als einziger Verdächtiger. Aber warum sucht man nicht mehr nach besagtem Sascha? Derweil stößt Löhr bei seinen Recherchen zur Baumpflege auf einen offenbar bevorstehenden Bauskandal. Es wäre nicht der erste, der die Stadt ereilt.

Kommissar Löhr im (Un-)Ruhestand

In acht Romanen durfte Jakob Löhr ermittelten, jetzt, im neunten Fall, sehen wir ihn als Pensionär wieder, nachdem er kurz vor seinem Ruhestand selber das Gesetz in die Hand nahm. Inzwischen konzentriert er sich auf die morgendliche Vogelschau im sogenannten Park, während er eigentlich eine neue Geschäftsführerin für sein Café bräuchte, nachdem die letzte samt Tageskasse verschwand. Löhr ist ein griesgrämiger Zeitgenosse, der Veränderungen in seinem Café ablehnt. Man soll ihn einfach in Ruhe lassen, er will doch nur seinen Sancerre trinken, gerne auch schon am Vormittag.

Würde man den Stadtplan zurate ziehen, handelt es sich bei dem Dreieck nicht um einen von Parkplätzen gesäumten Pisshaus-Standort, sondern um einen „Platz“. Dem gaben die Stadtoberen vor ein paar Jahren, statt ihn wie sonst in Köln üblich mit Altglascontainern zuzustellen, sogar einen Namen: Yitzhak-Rabin-Platz.

Aber die mangelnde Baumpflege, der daraus resultierende Vogelmord, das geht nun wirklich nicht. Und dann noch seine ihm bis dahin unbekannte Nichte, die den Verdacht äußert, man suche nur deswegen nicht mehr nach Sascha, da man mit Samir, dem Ausländer, einen geeigneten Täter vorzuweisen hat, wenngleich dieser dem Opfer nur helfen wollte und folglich Blut an seiner Kleidung zu finden ist.

„Weißt du, wie alt ich bin?“

„Genau so alt wie ich.“

„Eben. Noh am Friedhofsgemös.“

Peter Meisenberg erzählt seine unterhaltsame Geschichte aus der Perspektive von Löhr und Leonie, wobei sich Letztere durch eigene Ermittlungen wenig überraschend in Gefahr begibt. Polizisten lassen sich nun mal nicht gerne in die Suppe spucken und solche mit brauner Gesinnung gleich gar nicht. Damit wären wir bei einem der beiden Hauptthemen, dem Rassismus. Das Zweite fällt unter den Begriff „Kölscher Klüngel“, was im positivem Sinne meint, „man kennt sich, man hilft sich.“ Allerdings verbindet man heutzutage mit dem Wort Klüngel vor allem Korruption. Einschlägige Fälle sind hinlänglich bekannt, wurden teils verfilmt („Der König von Köln“) und fließen in den Roman rückblickend ein. Beide Themen, Rassismus oder racial profiling sowie Korruption, werden gut beleuchtet, wobei man sich den Autor permanent kopfschüttelnd vorstellen muss angesichts der Ansammlung von Pleiten und Pannen in seiner Stadt. Dabei spielt der aktuelle Neubau der Oper, dessen Kosten unlängst die Milliardengrenze sprengte, noch nicht mal eine Rolle. Es gibt reichlich Kritik an Stadtverwaltung und lokaler Politik, die überfordert scheinen oder einfach nur ab nicken. Karneval ist halt irgendwie ganzjährig in der Domstadt, die eine bildgewaltige Kulisse bietet und in der sich Meisenberg bestens auskennt.

  • Autor: Peter Meisenberg
  • Titel: Zoff
  • Verlag: emons
  • Umfang: 224 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Oktober 2024
  • ISBN: 978-3-7408-2314-6
  • Produktseite

Wertung: 12/15 dpt

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