Gabrielle Zevin – Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry (Buch)

Ein wenig Melancholie, viel Liebe, viel Drama, ein wenig Gesellschaftskritik und Humor sowie vor allem vieles, was einem warm ums Herz macht – das sind die Bestandteile von „Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry“ von Gabrielle Zevin. A.J. ist ein grummeliger, eigenbrötlerischer Buchhändler auf Alice Island, der schon jung seine Frau durch einen Autounfall verloren hat. Und mit ihr auch seinen Lebensmut und seine Lebensfreude. Als eines Tages die engagierte Verlagsvertreterin Amelia bei ihm im Laden steht, um ihm die etwas dürftigen Novitäten ihres Verlages vorzustellen, ist A.J. unfreundlich und uncharmant. Geübte Leser:innen wissen jetzt schon: Aus den beiden wird ein Paar werden.

Vorher muss allerdings noch einiges geschehen, was A.J.s Welt ziemlich durchmischt und ihn aus seiner depressiven, introvertierten Stimmung herausreißt: In seiner Buchhandlung (und hier muss leider ganz kurz gespoilert werden) wird ein Kleinkind mit einem rührenden Abschiedsbrief der Mutter zurückgelassen. A.J.s Herz wird weich und fortan lässt er wieder Gefühle zu – er nimmt die kleine Maya bei sich auf.

Er fühlt sich betrunken und hat gleichzeitig das Gefühl zu platzen. Wahnsinn. Das Gefühl muss Glück sein, doch dann stellt er fest, dass es Liebe ist. Scheißliebe, denkt er. Verdammter Mist. Sie ist seinem Plan, sich zu Tode zu saufen und sein Geschäft zu ruinieren, gründlich in die Quere gekommen. Das Ärgerlichste aber ist, dass dir, wenn dir erst einmal eine Sache am Herzen liegt, im Lauf der Zeit alles wieder wichtig wird.S. 80

A.J.s Leben ändert sich, die Liebe hält erneut Einzug mit Amelia, es entwickeln sich Freundschaften zu den Dorfbewohnern, der Buchladen bleibt geöffnet. Natürlich ist nicht alles perfekt, so führt zum Beispiel seine frühere Schwägerin eine unglückliche Ehe, aber das alles fügt sich dennoch irgendwie warm und weich in den Erzählfluss. So ist das Leben nun einmal, scheint es. Die Autorin spart nicht mit Drama, aber auch die schlimmen Ereignisse liegen irgendwie unter einem Weichzeichner.

Inhaltlich sollte hier nicht mehr erzählt werden, denn das Buch springt vor allem von Ereignis zu Ereignis. Seltsamerweise – bei aller Warmherzigkeit und Cozyness – wird dabei manch drastisches Ereignis erstaunlich schnell und mit wenig Tiefgang abgehandelt. Dabei bleiben auch die Einblicke in die Charaktere eher an der Oberfläche. Vielmehr hat man den Eindruck, dass hier eine Märchenerzählerin am Werk ist, die von oben auf eine kleine Welt blickt und mit gefühlvollen Botschaften das Geschehen zusammenfasst.

Schön ist für Bücherliebhaber:innen aber, dass immer wieder das Lesen und die Literatur einen Platz hat. Welche Kund:innen kommen eigentlich in die einzige Buchhandlung einer abgelegenen Insel und was lesen sie? Wie bewerben Verlagsvertreter:innen die Programme der Verlage – auch wenn vielleicht nicht alle Titel sie selbst begeistern? Was steckt hinter rührenden Memoiren, in denen Autor:innen ihre Lebensgeschichte in einem Buch veröffentlichen? Wer gewinnt am ehesten einen Schüler:innen-Wettbewerb mit einer Kurzgeschichte und warum? Mit welchen Kriterien lesen Polizeibeamte eigentlich Krimis? Immer wieder streut Gabrielle Zevin außerdem kleine Kurzkritiken ein, die A.J. für seine Tochter Maya schreibt. Dazu gibt es auch im gesamten Buch kleine Weisheiten wie „Manchmal finden uns Bücher erst, wenn die Zeit reif ist“, „Als Buchhändler kann ich dir versichern, dass Preise wichtig für den Umsatz sein können, aber für die Qualität selten entscheidend sind“ oder auch „Ein Ort ohne Buchhandlung ist kein Ort“.

Der Roman wurde nun vom Eichborn-Verlag nach dem großen Erfolg von Gabrielle Zevins „Morgen, morgen und wieder morgen“ (2023, ebenfalls Eichborn) veröffentlicht, wurde aber bereits 2014 geschrieben und erschien 2016 als „Die Widerspenstigkeit des Glücks“ in einem anderen deutschen Verlag. Man sollte definitiv im Hinterkopf behalten, dass zwischen den beiden Büchern acht Jahre liegen. Die Neuauflage von „Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry“ kann nämlich nicht mit Stil und Struktur des aktuellen Erfolgsromans mithalten.

Fazit:

„Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry“ von Gabrielle Zevin erzählt in einem ständigen Wechsel von Trauer, Liebe, Familie, Einsamkeit, Tod und der heilsamen Wirkung von Büchern, vermittelt dabei aber erstaunlicherweise durchgängig eine ganz warmherzige und positive Stimmung. 2022 verfilmt, beschreibt der „Filmdienst“ den Film als „sanfte, etwas oberflächliche Feel-Good-Dramödie“ – ein Urteil, das auch perfekt auf den Roman passt.

Wertung: 11/15 dpt

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