Hausfrau Shashi (Srivedi) lebt mit ihrer Familie in England und findet sich lange mit ihrer Situation und ihrem Bildungsstand ab – doch Tatsache ist, dass sie sich mit der englischen Sprache äußerst schwer tut. Ihr Mann (Adil Hussain) sowie die Kinder sind ihr diesbezüglich um einige Schritte voraus, doch anstatt ihr Selbstwert zu vermitteln und ihr zu helfen, verspotten sie Shashi und merken dabei nicht, wie sehr sie dadurch gekränkt wird.
Sie hat genug. Als sie erfährt, dass ihre in New York lebende Nichte heiratet, beschließt sie, umgehend dorthin zu reisen – alleine. Doch bereits die ersten Stunden in den USA sind nervenzerfetzend, denn mit der verbalen Verständigung hapert es nach wie vor erheblich. Ihr wird klar, dass sie so nicht vorankommt und fasst den Entschluss, während ihres Aufenthaltes in den Staaten heimlich einen Englischkurs zu besuchen. Hier lernt sie einen multikulturellen Haufen kennen, der ihr schnell ans Herz wächst: Eine chinesische Friseuse, einen Taxifahrer aus Pakistan, eine mexikanische Nanny – vor allem aber Laurent (Mehdi Nebbou), ein Koch aus Frankreich, der sie als Frau (ohne den Präfix Haus) wahrnimmt. Obendrein lernt sie jemanden neu kennen: Sich selbst, denn Laurent und die anderen bringen ihr körbeweise Respekt entgegen, was Shashis Selbstwertgefühl nicht nur stärkt, sondern überhaupt erst einmal wiederherstellt. Doch auch ihre Englisch-Fortschritte sind Beweis dafür, dass sie mehr als nur die fürsorgliche Mutter und Ehefrau ist.
Der Regisseur und Drehbuchautor Gauri Shinde und dessen Crew haben mit diesem Zweistünder nicht nur eine wunderbare Mixtur aus Drama und Comedy erschaffen, sondern auch eine Multikulti-Story, die dem ein oder anderen Selbstzweifelnden Mut mit auf den Weg zu geben in der Lage ist. Denn wenn man sich nicht allzu dämlich anstellt, ist man selbst durchaus fähig, nicht nur Fortschritte zu machen, sondern auch von ihnen zu profitieren – einmal hinsichtlich neu erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten, einmal hinsichtlich des Selbstbewusstseins, das man durch Erfolge erlangen kann.
Für den Clash der weltlichen Unterschiede ist New York City, mehr noch als London oder etwa Berlin, als Schauplatz die perfekte Wahl, denn dort treffen Menschen aus praktisch jedem bewohnten Winkel der Erdkugel aufeinander, und wenngleich zuweilen das ein oder andere Klischee bedient wird (ganz gleich, ob bezüglich Bollywood oder der anderen Kulturen), so geschieht dies eher mit einem Augenzwinkern, teilweise höchst selbstironisch.
Gefühle werden in “Englisch für Anfänger” zahlreich angesprochen. Die Lachrezeptoren bekommen reichlich Futter geboten, denn die Situationskomik, die nur selten konstruiert wirkt, wurde hier pointiert umgesetzt, und selbst wenn das Ganze mal in Klamauk abzudriften droht, so bekommt der Film immer wieder rechtzeitig die Kurve. Denn auch Ärger verspürt man, speziell in den Momenten, in denen sich beispielsweise Einheimische unsensibel gegenüber Zuwanderern (in ihrer neuen Heimat England) beziehungsweise Reisenden (eben im Big Apple) verhalten, besonders aber dann, wenn sich Shashis Familie einmal mehr ignorant und respektlos ihr gegenüber zeigt, allen voran ihr Ehemann, der sie nach wie vor belächelt, ihre Kochkünste mehr schätzt als sie selbst als Frau – ebenso halten ihre Tochter und ihr Sohn alles für selbstverständlich, was sie für sie tut.
Wie es sich für einen Bollywood-Film gehört, gibt es natürlich auch reichlich Kitsch, auch in musikalischer Form, zu sehen und hören, doch auch der ist angenehm wohldosiert, vor allem aber clever in die gesamte Story eingeflochten. Und wie bei den meisten Filmen aus diesem “Genre” spielt natürlich die Liebe eine große Rolle, doch wer erwartet, hier triefe der Schmalz vom unteren Bildschirmrand auf das TV-Möbel, der liegt völlig falsch, denn statt mit Holzhammer-Herzschmerz und Glitzerflitterromantik wird mit einem hohen Maß an Sensibilität gearbeitet.
In diesem Movie werden gekonnt zahlreiche Genres durcheinander gewürfelt, und das ist etwas, das vielen europäischen und amerikanischen Filmen momentan ein wenig abgeht. Auch spricht für den Film, dass er nicht nur “Mädchenkram”, sondern für die gesamte Familie geeignet ist. Was “Englisch für Anfänger” obendrein sehenswert werden lässt, ist die Herzlichkeit, die darin steckt – und selbstverständlich leistet der hochwertige, glaubwürdig agierende Cast hier mehr als nur solide Arbeit, speziell die wieder ins Filmbiz eingestiegene Srivedi, der charismatisch aufspielende Mehdi Nebbou, der köstlich amüsante Cory Hibbs oder der in eine eher unsympathisch wirkende Rolle schlüpfende Adil Hussain.
Kurz: Bollywood meets Multikulti, und das auf hohem Niveau.
Cover & Szenenfotos © Rapid Eye Movies
- Titel: Englisch für Anfänger – English Vinglish
- Originaltitel: English Vinglish
- Produktionsland und -jahr: Indien, 2012
- Genre:
Bollywood, Drama, Komödie
- Erschienen: 08.11.2013
- Label: Rapid Eye Movies
- Spielzeit:
129 Minuten auf DVD - Darsteller:
Sridevi
Adil Hussain
Mehdi Nebbou
Priya Anand
Sujatha Kumar
Navika Kotia
Shivansh Kotia
Cory Hibbs
Rajeev Ravindranathan
Sumeet Vyas
Ruth Aguilar
Maria Romano
Damian Thompson
Ross Nathan
Amitabh Bachchan
- Regie: Gauri Shinde
- Drehbuch: Gauri Shinde
- Musik: Amit Trivedi
- Extras:
Making-of
Entfallene Szenen
Kinotrailer
Poster
- Technische Details (DVD)
Video: 2,35:1 (16:9)
Audio: Deutsch, Hindi (DD 5.1) - FSK: 0
- Sonstige Informationen:
Produktseite bei Rapid Eye Movies
Wertung: 12/15 dpt