Kann ein Film, der detailreiche Sexszenen liefert, gegen eben diese rebellieren? Machen nackte Brüste, entblößte Geschlechtsteile auf die Versexualisierung der Gesellschaft aufmerksam? Oder stillt man nur das Verlangen des liebeshungrigen Publikums, welches den vorgehaltenen Spiegel gelassen akzeptiert? Soll das Machwerk polarisieren, den erhobenen Zeigefinger verklemmter, doppelmoraliger Apostel von Konservativismus und Spießbürgertum ergreifen und in den werten Anus …, um aufzuzeigen, dass doch alle gleichermaßen dem Trieb ergeben sind? Geht es um Jesus?
Das anvisierte Ziel von “Nymph()maniac”, seine Aussagekraft, lässt sich in vielerlei Hinsicht erahnen, auf dem Teller – oder sollte man besser sagen: auf der “frechen Früchtchen-Platte” – serviert bekommt man dieses allerdings nicht. Die geistigen Tiefen des Lars von Trier mögen unergründlich sein, und eines sind sie ganz sicher nicht: einfach zu verdauen.
Joe – grandios gespielt von Charlotte Gainsbourg – wird von Seligman (ebenso überragend: Stellan Skarsgård) von der Straße aufgelesen. Obwohl offensichtlich verletzt, verweigert sie die Empfehlung, sich in medizinische Versorgung zu begeben, bevorzugt stattdessen eine Tasse Tee und ein Bett in der Seligmanschen Wohnung. Nach einigen aufwärmenden Worten geht es dort recht zügig zur Sache. Jedoch gemeint ist nicht diese Sache, die das lustorientierte Konsumentenhirn sofort vermuten würde. In stiller Atmosphäre des kargen Schlafgemachs spricht Joe mit Seligman über ihr Leben, ihre Erfahrungen, ihre Ansichten, ihre Leidenschaften … Seligman – Theoretiker, belesen, augenscheinlich weniger lebenserfahren – hört zu, spricht und schweigt.
Ernsthafte Themen im “Kammerspiel” der beiden türmen sich auf mit Szenen Kopulierender zu einem wollüstigen Berg, dessen hochgeistige Spitze überrascht und dennoch (im positiven Sinne) erwartbar ist.
Triers Hang zur Tristesse, seine Melancholie spürt man von der ersten Szene des Films an. Suchend und desillusioniert wirkt Joe. – Ist “Nymph()maniac” am Ende also das Psychogramm einer Nymphomanin oder die Charakteristik einer Frau, welche die Bürde einer getriebenen Gesellschaft trägt, welche das Leid eines abgestumpften, sich gegenseitig überbietenden Miteinanders in sich vereint?
Cover & Szenenfotos © Concorde Home Entertainment
- Titel: Nymph()maniac Vol. I + II (Kinofassung)
- Produktionsland und -jahr: DK, D, F, S 2013/14
- Genre:
Erotikdrama - Erschienen: 20.11.2014
- Label: Concorde Film
- Spielzeit:
232 Minuten auf 2 DVDs (DVD)
241 Minuten auf 1 DVD (Blu-ray) - Darsteller:
Charlotte Gainsbourg
Stellan Skarsgård
Stacy Martin
Shia LaBeouf
Christian Slater
Jamie Bell
Uma Thurman
Willem Dafoe
Udo Kier - Regie: Lars von Trier
- Drehbuch: Lars von Trier
- Kamera: Manuel Alberto Claro
- Schnitt: Molly Malene Stensgaard
- Musik: Kristian Selin Eidnes Andersen
- Extras: Interviews mit Charlotte Gainsbourg, Stellan Skarsgård,
Stacy Martin, Shia LaBeouf, Trailer (insgesamt: 43 Min.) - Technische Details (DVD)
Video: 2,35:1 (16:9)
Sprachen/Ton: D (DD 5.1/ DTS 5.1), GB (DD 5.1)
Untertitel: D - Technische Details (Blu-ray)
Video: 2,35:1 (16:9) 1080p High Definition
Sprachen/Ton: D, GB (DTS-HD Master Audio 5.1)
Untertitel: D - FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Infos zum Film
Auch als Director’s Cut erhältlich (DVD, BluRay)
Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 10/15 dpt