Gottfried der Turborabe – Ennos gefährliche Reise (Buch)


Gottfried ist ein ziemlich moppeliger Rabe und einzigartig. Er besitzt nämlich einen Turbomotor, weswegen er nicht auf seine Flügel und 1 RS (Rabenstärke) angewiesen ist. Mit 320 PS kann er über 1000 Kilometer in der Stunde fliegen. Behauptet Gottfried, der gerne ein klein wenig übertreibt.

Aber dank seines Motors ist ein Urlaub in Südspanien immer mal drin. Leider hat der Rabe seinen Turbo vor der Reise nicht durchgecheckt. Weshalb er über dem Mittelmeer abstürzt. Und Glück hat, landet er doch unbehelligt auf einem Rettungsring, der dem achtjährigen Enno als Beförderungsmittel dient. Das Boot, auf dem Enno, seine Eltern und seine kleine Schwester aus Afrika geflüchtet sind, ist gekentert, der Schwimmreifen ist alles, was ihm geblieben ist. Da Gottfried eine Luftmatratze in seiner Reisetasche hat, haben die beiden genug Platz, um den Turbomotor zu reparieren. Wobei Enno die Hauptarbeit tätigt.

Mit instand gesetztem Turbo und Enno im Schlepptau, beziehungsweise Schnabel, fliegt Gottfried zur spanischen Küste, wo die beiden am Strand prompt aufgelesen und in eine Flüchtlingsunterkunft gebracht werden. Dort regiert El Cheffe, der Gottfried seinen Motor abnimmt und seinem fiesen Sohn Pedro schenkt.

Da Gottfried und Enno aber findige Kerlchen sind, gelingt es ihnen, Pedro und seinen Vater auszutricksen, um mit dem zurückeroberten Turbo auf die Suche nach Ennos Familie zu gehen. Zu fliegen.

Die düsteren Seiten der massenhaften Flucht aus Afrika als Thema eines Kinderbuchs, gedacht für Erstleser und zum Vorlesen im Grundschulalter? Geht das? Es geht nicht nur, es fliegt wie wir ja bereits wissen. Weil Christoph Fromm und die Illustratorin Finja Skadi Vollbrecht ihr Sujet und ihre Leser*innen ernst nehmen. Vollbrechts bunte Zeichnungen mit kräftigem Pinselstrich sind witzig und informativ, sie sparen dramatische und beklemmende Momente nicht aus, ohne mit allzu heftigen Schockbildern die junge Leserschaft zu überfordern. Verharmlosende Niedlichkeit sind Text und Zeichnungen fern, doch der erhobene Zeigefinger wohlmeinender Stimmungsmache auch.

Erzählt wird eine spannende Geschichte, die ihre komischen Momente hat, die selbst Erwachsenen gefallen dürften (wie die Vorliebe des knubbeligen Gottfried für langbeinige Flamingos). Der naseweise Rabe Gottfried und der pfiffige Enno (beide durchaus eine kleine Hommage an Astrid Lindgrens “Karlsson vom Dach”) sind sympathische und nachvollziehbare Identifikationsfiguren, die gemeinsam ein aufregendes Abenteuer erleben.

Der realistische Hintergrund fließt unübersehbar ein, doch unterlässt Christoph Fromm aufdringliche Schuldzuweisungen. Er schildert eine derzeit leider alltägliche Situation, die kindgerecht dramatisch zugespitzt wird und mit El Cheffe und Pedro zwei angemessene Antagonisten besitzt, die von Gottfried und Enno auf pfiffige Weise ausgetrickst und für ihren boshaften Egoismus auf stimmige Weise bestraft werden.

Das ist fein austariert und ermöglicht, neben dem ersprießlichen Unterhaltungseffekt, viel Raum für weiterführende Diskussionen. Die Spannung bleibt bis zum Schluss erhalten und mit einem kleinen Cliffhanger wird eine Fortsetzung ansprechend vorbereitet.

Cover © Primero Verlag

Wertung: 12/15 Turbomotoren


1 Kommentar
  1. Sehr schönes Kinderbuch!

    Christoph Fromm nimmt sich in diesem Kinderbuch dem ernsten Thema “Fluchtbewegung” in kindgerechter und einfühlsamer Weise an, unterstützt von Finja Skadi Vollbrecht, der die Illustrationen und die Buchgestaltung bestens gelungen ist.
    Man schließt die beiden Protagonisten, Enno, den Flüchtlingsjungen, der seine Eltern sucht, und Gottfried, den lustigen frechen Raben mit dem Turbo-Düsenmotor, der ihm bei der Suche hilft, sofort ins Herz.
    Ich wünsche mir von Christoph Fromm und Finja Skadi Vollbrecht noch weitere so schöne Kinderbücher!
    Erwähnen könnte man noch, dass das Preis-/ Leistungsverhältnis für das Buch sehr gut ist.

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