Die Frage danach, was Glück für mich ist, habe ich mir nie ernsthaft gestellt. Trotzdem wurde ich oft mit dieser Frage konfrontiert – seien es romantische Affären, die tiefsinnig wirken wollten oder Freunde unter Drogen, die sich tatsächlich tiefsinnig gefühlt haben. Meine Antworten variierten zwischen “Wenn ich mit dir zusammen bin…” bis “Wenn mich keiner mehr ungefragt betatscht und mein Essen nicht mehr weggegessen wird!”. Aber was Glück ernsthaft für mich ist, habe ich für mich nie ernsthaft beantwortet.
“Lea und das blaue Glück”, ein von Buch von Wiebke Wiedeck, welches 2020 durch den Wiedeck-Verlag veröffentlicht wurde, stellt nun ebendiese Frage nach dem Glück.
Dabei verfolgen wir die 17-jährige Lea, die sich nicht mehr von den Depressionen ihrer Mutter herabziehen lassen will und sich auf eine Reise macht, um herauszufinden, was Glück ist und welche Farbe es hat.
Auf ihrer Reise trifft Lea auf die unterschiedlichsten Menschen, die alle ihre eigenen Lasten tragen müssen: Sei es die Reue, das Leben nicht selbstbestimmt gelebt zu haben, das Gefühl, bei der Erziehung versagt zu haben oder auf der Suche nach der Liebe des eigenen Vaters langsam zu verderben.
Wiedecks Schreibstil war dabei eingängig und gerade die Gefühle der Figuren – welche ja das Herzstück des Buches sind – wurden empathisch artikuliert und machen das Geschehen lebendig.
Gerade die unterschiedlichen Figuren haben mich begeistert – egal ob es die selbstreflektierte Ex-Politikerin, der sensible Trucker, der verzogene Insta-Schönling oder die zu früh verstorbene Großmutter waren. Sie alle waren ausnahmslos authentisch und versuchten, ihren Platz in der Welt zu finden und das Beste aus ihrer Situation zu machen.
Aber auch mein größter Kritikpunkt richtet sich gegen die Figuren: Hin und wieder waren sie für mich doch zu einfach.
Bei “Lea und das blaue Glück” handelt es sich um ein kurzes Buch, welches viel bedeutsamen Inhalt in wenigen Seiten vermittelt, aber dadurch wirken die Figuren doch hin und wieder klischeehaft. So wurden die Ex-Politikerin, der Trucker und der Schönling auf ihre Rollen reduziert, ohne einen wirklichen authentischen inneren Konflikt in sich zu tragen. Aber auch Lea und ihr Umfeld wurden für mich dadurch zu vereinfacht dargestellt: So wurde Lea am Anfang immer nur im Vergleich zu anderen Mädchen dargestellt. Die Mädchen waren weniger reflektiert und oberflächlich, während Lea daneben alternativ und tiefsinnig war. Das fand ich schade, denn dadurch hatte ich das Gefühl, dass Leas Stärken nicht für sich selbst sprechen könnten.
Deswegen denke ich, dass das Buch länger hätte sein sollen – um die Figuren facettenreicher zu entfalten und auch Leas Umfeld ausführlicher darzustellen. So hätte Lea nicht mit ihrem Umfeld verglichen werden müssen, da einfach mehr Situationen gezeigt werden könnten, in denen wir Lea kennenlernen könnten.
Es war spannend für mich Leas Reise begleiten zu dürfen, weil ich einige Erlebnisse selbst erfahren musste – darunter der Zwang, zu schnell erwachsen werden zu müssen und die ständige Frage danach, wer ich denn bin und ob ich so mit mir weiterleben kann. Insgesamt ist “Lea und das blaue Glück” eine Reise, die ich allen ans Herz legen kann, die noch auf der Suche nach ihrem eigenen Lebensweg sind und sich auf ihrer Reise einsam fühlen. Denn die Frage danach, was das Glück für einen selbst ist, hängt mit der Frage zusammen, wie selbstbestimmt man leben will. Lässt man sich einfach von den eigenen Gelüsten und den Willen anderer Treiben oder sind wir uns selbst bewusst und streben nach dem, was und Glücklich macht?
Zum Schluss blieb ich mit den Fragen sitzen: Was ist Glück für mich? Und welche Farbe hat es? Für mich ist es Glück einen Freund zu haben, der mich als die Person sieht, die ich bin und diese Person liebt. Und Glück ist schwarz, denn das ist mein Zimmer, wenn wir uns gegenseitig halten und einschlafen.
- Autor: Wiebke Wiedeck
- Titel: Lea und das blaue Glück
- Verlag: Wiedeck
- Erschienen: 2020
- Einband: Hardcover
- Seiten: 116
- ISBN: 978-3982119410
- Sonstige Informationen:
- Produktseite
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Wertung: 12/15 dpt