
Wie bewegt man sich in einer Welt, in der Ungerechtigkeit und Diskriminierung normal sind, während der Großteil der Bevölkerung dafür kämpfen muss, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen?
Mit “Empathie und Widerstand” versucht Kristina Lunz, eine Antwort auf diese Frage anzubieten, indem sie Empathie, Mitgefühl, aber auch harte Grenzen zu setzen, als Mittel anbietet, mit denen man sich für andere und sich selbst einsetzen kann.
Die Welt, in der wir leben, ist komplex und ungerecht – Kapitalismus, Klassismus, Heteronormativität, Rassismus, Ableismus und Sexismus regieren unseren Alltag, ob wir es sehen (wollen) oder nicht. Das bedeutet, dass Schüler*innen mit (vermeintlichem) Migrations- oder Arbeiter-Hintergrund schlechtere Noten bekommen, weil Lehrer*innen ihnen mangelndes Potential unterstellen. Frauen denken, sie seien Männern gleichgestellt, bis es darum geht, befördert zu werden oder bis Kinder ins Spiel kommen. Und es sei vollkommen gerechtfertigt, dass Manager mehr verdienen als Ersthelfer*innen und Kindergärtner*innen.
Das Gemeine an Ungerechtigkeit ist aber, dass die wenigsten Menschen absichtlich versuchen, Menschen zu schaden – oft sehen Menschen nicht, dass andere eine ganz andere Lebenswirklichkeit haben als sie selbst oder versuchen (auch aus eigener Unsicherheit), ihre Werte auf andere zu projizieren. Nicht, weil sie jemandem schaden wollen, sondern weil sie denken, dass ihr Weg der beste für alle ist. Oft sehen gerade privilegierte Menschen nicht, dass es Menschen gibt, die jeden Tag aufs Neue um ihr Überleben kämpfen müssen. Und lasst uns ehrlich sein – denken wir nicht alle, dass unsere Ideale die besten sind und die Welt ein besserer Ort wäre, wenn alle so leben würden wie wir selbst? Die strukturellen Ursachen hinter Rassismus, Sexismus, Heteronormativität und Ableismus, die hinter diesen Werten und unserer Normalität stehen, sehen die Wenigsten, weil es doch immer so selbstverständlich und naturgegeben wirkt.
Empathie ist deswegen für Kristina Lunz eine unverzichtbare Fähigkeit, die der Ungerechtigkeit entgegengestellt werden kann. Denn mit Empathie ist man nicht nur empfänglich für die Lebensrealität um einen herum, sondern schöpft auch Kraft für Widerstand. Damit bietet sie keine vollumfängliche Antwort, wie strukturelle Diskriminierung in ihrer Gänze bekämpft werden kann, aber eine praktische Antwort darauf, wie man im Alltag, Beruf und Ehrenamt Position beziehen und so Schritt für Schritt Veränderungen erreichen kann.
Deswegen möchte ich euch “Empathie und Widerstand” empfehlen. Es ruft dazu auf, Position zu beziehen, inspiriert dazu, sich einen moralischen Kompass aufzubauen, lädt dazu ein, sich von Argumenten und Erfahrungen anderer verändern zu lassen und sich für das Richtige einzusetzen. Gerade, wenn wieder laut nach Abschiebungen geschrien wird, Gendern von Rechten als Gefahr für ihre Meinungsfreiheit angeprangert wird und die körperliche Selbstbestimmung in Form von Sexarbeit verboten werden soll, ist das Buch gerade richtig.
- Autor: Kristina Lunz
- Titel: Empathie und Widerstand
- Verlag: Ullstein
- Erschienen: 2024
- Einband: Hardcover
- Seiten: 160
- ISBN: 978-3-5502-0303-9
- Sonstige Informationen:
- Produktseite
- Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 13/15 dpt