„Kölner Vergeltung“ bietet einen vielschichtigen, bewegenden Plot

Nach einem Besuch ihres Vaters im Bergischen Land hat es Anna eilig, denn ihr Mann wartet in Köln. An einem Rastplatz muss sie aber anhalten, dringend auf Toilette und fährt danach umgehend weiter, wobei sie erst wenig später registriert, dass ihr dreijähriger Sohn Oskar nicht mehr in auf der Rückbank sitzt. Die nächste Ausfahrt ist gesperrt, gleichwohl fährt sie an den Warnbarken vorbei, wobei ein Reifen platzt und das Auto in einem Graben landet. Kurz darauf naht ein vermeintlicher Helfer, doch dieser sticht sie mit einem Messer nieder.
Maline Brass von der Kölner Kriminalpolizei übernimmt den Fall. Annas Ehemann Cem Aydin beschuldigt Lukas Schmalberg der Tat. Er ist Oskars leiblicher Vater, wenngleich die Affäre mit dem verheirateten Familienvater schon Jahre zurückliegt. Lukas soll Anna aber in letzter Zeit wieder gestalkt und bedroht haben. Durch Cem erfährt Maline, dass im Auto auch Oskar saß, von dem jede Spur fehlt. Ihre Kollegin Lou Vanheyden wäre jetzt eine große Hilfe, allerdings muss Lou einen fürchterlichen Schicksalsschlag verarbeiten, was ihr kaum gelingt und ihren moralischen Wertekanon zunehmend in Frage stellt.
Derweil ängstigt sich ein vierzehnjähriges Mädchen vor ihrem Onkel und sorgt sich vor allem um ihre kleine Schwester. Die Nachbarin hat hingegen ein ganz anderes Problem, verlor sie bei einem schrecklichen Unfall einst Mann und Tochter, der kleine Jonathan kam auf andere Weise ums Leben. Jetzt hat sie ihren Sohn scheinbar wiedergefunden. Jedenfalls könnte doch der kleine Junge, den sie an einer Raststätte fand, einfach ihr Jonathan sein. Aber wie dies vor ihren Nachbarn, der Polizei und vor allem ihrem Bruder geheim halten?
Der 7. Fall für Lou Vanheyden und Maline Brass
„Kölner Vergeltung“ ist der bereits siebente Fall für die Kölner Hauptkommissarinnen Maline Brass und Lou Vanheyden, der zugleich auch ihr persönlichster sein wird. Immer, wenn es um Kinder geht, diese misshandelt, entführt oder gar getötet werden, wird es maximal verstörend respektive belastend. Gleichwohl verzichtet die Autorin auf implizite Handlungen und somit jeglichen Voyeurismus. Aufwühlend ist die Geschichte dennoch, die ihre Spannung weniger aus der klassischen Fragestellung nach dem oder den Tätern generiert, sondern vielmehr daraus, wie sich die einzelnen Figuren aus ihren jeweiligen Situationen befreien können. Können Sie es überhaupt?
„Du solltest unbedingt Flöte spielen können.“
„Wieso denn?“
„Wegen der Ratten.“
„Okay“, sagte Elsa, als wüsste sie genau, wovon ich spreche.
Kann sich die Vierzehnjährige ihrem übergriffigen Onkel entziehen und noch dazu ihre junge Schwester schützen, während die Mutter in bester Vogel-Strauss-Manier nichts wissen, partout nichts mitbekommen will? Wie lange kann ihre Nachbarin unentdeckt bleiben, während überall nach Oskar fieberhaft gesucht wird? Und gelingt es Lou ihre Situation in den Griff zu bekommen, ohne selber das Gesetz in die Hand zu nehmen? Einfühlsam und ohne moralische Bewertungen bleibt die Autorin dicht an den Figuren und zeigt eindringlich auf, dass die Frage nach Schuld nicht immer mit einer Schwarz-Weiß-Schablone zu beantworten ist.
Es bleibt ein nachhaltiges Leseerlebnis mit teils verstörenden Entwicklungen. Mehrere Figuren sind in ihrer Gedankenwelt gefangen, suchen verzweifelt Auswege, da Hilfe von Dritten kaum zu erwarten ist. Bei Lou ist dies anders, denn vor allem Maline versucht ihrer Kollegin und Freundin beizustehen. Doch Hilfe muss auch angenommen werden, es ist zum Verzweifeln. Ein düsterer Plot mit intensivem Blick in menschliche Schicksale und Abgründe. Als reiner Krimi geht es mit der Auflösung mitunter zu einfach, so vor allem bei dem Angriff auf Anna, dennoch ist „Kölner Vergeltung“ eine klare Empfehlung, dessen Lektüre einen ordentlichen Nachhall hat.
- Autorin: Myriane Angelowski
- Titel: Kölner Vergeltung
- Verlag: emons:
- Umfang: 320 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Mai 2025
- ISBN: 978-3-7408-2389-4
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Wertung: 11/15 dpt