Das Homestory Magazin (Zeitschrift)


Das Homestory Magazin (Cover)Fuck Homeland Security, von wirklichem Belang für uns kann doch wohl nur die Homestory sein! Das könnten sich Ferdinand Führer und Roland van Oystern (Letztgenannter ist übrigens booknerds.de-Autor) zumindest denkbarerweise gedacht haben, bevor sie sich in dieses wunderbare Unternehmen gestürzt haben. Ebenso möglicherweise dachten sie sich: Nur am eigenen Herd ist jeder die Authentizität pur. Oder: Weg vom Anzeigen- und Pressemitteilungs-gesteuerten Marionetten-Musik-Journalismus! Oder: Punk Pur. Oder: Nur selbst ersonnene Interview-Antworten sind sinnhaft. Doch all das ist pure Spekulation…

“Gesichert” (wenn auch mal sicher gelogen) ist nur ihre eigene programmatische Aussage zum Thema: »Seit nunmehr zwei Jahren reisen wir durch die Bundesrepublik, um uns mit verschiedenen Männern mittleren Alters zu treffen. Alle diese Männer sind mehr oder weniger prominent (manche mehr, manche weniger) und die meisten davon spielen in Bands, deren Musik uns seit Jahren begleitet. Gerade deswegen waren diese Besuche wunderbare Erlebnisse. Oftmals waren wir aufgeregt und in Sorge, man könne uns schlecht behandeln oder gar schlagen. Aber jede Sorge war unbegründet. Alle waren so nett, wie wir es uns gewünscht haben. Und überhaupt niemand war ein Arschloch. Mittlerweile verbindet uns zu fast allen eine mehr als nur herzliche Beziehung, die weit über bloße Szenekooperation oder Sex hinausgeht.

Viele Stunden und Kilometer verbrachten wir in Autos und Zügen, an Bahnhöfen und Tankstellen. Auf Konzerten und in fremden Wohnungen, in Proberäumen und Gastronomiebetrieben. Lange Nächte saßen wir vorm Computer, dachten uns Fragen aus oder hackten die Homestories rein. Zusammenfassend lässt sich nur sagen: Es hat sich gelohnt«

Die für diese bezeichnenderweise ohne jede Nummerierung oder Datum erschienene allererste (und allerletzte, siehe unten) Magazin-Ausgabe Heimgesuchten waren: Martin Coburger (Boxhamsters), Pascow, Stefano Stiletti (Pankerknacker), Carsten Friedrichs (Superpunk), Marcus Wiebusch (Kettcar), Jens Rachut (Oma Hans), Nagel (Muff Potter), Bert & Frank (Supernichts), Impact Records, Turbostaat, Claus Lüer (Chefdenker), Junge & Nico (EA 80), Dirk Jora (Slime), Nebula Fünf Enterprises Int., Bela B., Angry Stef (Club Déjà-vu), Subwix, Glufke (Zwei Tage: Ohne Schnupftabak), Tobias Scheiße (Hammerhead) und Dirk von Lowtzow (Tocotronic).

Herausgekommen ist so etwas wie Alert und Galore in gut. Beziehungsweise die ultimative Punk-Prawda. Ein atemberaubender Lügen-Codex, der uns in edlem Layout auf feinstem Papier erreicht. Denn selbst wenn die eine oder andere Story tatsächlich stattgefunden haben, also lose auf einem konkreten Prominentenbesuch beruhen sollte: Autorisiert ist mal sicher keine der 20 Stories. Warum nicht? Weil wir durch diese wunderbar trocken geschriebene Texte, die mehr Reportage als Interview und die teils (insbesondere beim Lokaltermin bei Slime) selbst zu gehobener (hier: Science Fiction-)Literatur werden, folgendes über die besuchten Promis erfahren müssen:

  • Sie sind fast durch die Bank grenzdebil (der Versuch, eine CD umzudrehen, um die Rückseite abzuspielen, ist da noch ein harmloseres von zahllosen Indizien);
  • Sie wiederholen zwanghaft Phrasen, soweit sie überhaupt noch des Sprechens mächtig sind;
  • Sie werden vom Fleck weg verhaftet;
  • Sie verwechseln die interviewenden Homies mit den sie verfolgenden Geldeintreibern;
  • Sie sind spielsüchtig (von all den anderen Süchten mal ganz zu schweigen);
  • Sie sind Exhibitionisten;
  • Sie schreiben ihre Songtexte aus der HÖRZU ab;
  • Sie schlagen die Reporter bewusstlos;
  • Sie sind Bodybuilder auf Steroiden;
  • Sie zünden sich Fürze an;
  • Sie betatschen PraktikantInnen – und Schlimmeres;
  • Und natürlich schnorren und klauen sie wie die Raben.

Genau welcher Punk-Promi in der HSM-Lesart nun grad welche Widerwärtigkeiten am Start hat, möge bitte jeder selber lesend rausfinden. Denn erstens werden so zumindest wir Booknerds nicht verklagt – und zweitens lohnt sich das Lesen hier wirklich. Tatsächlich die lustigste Lektüre des Jahres bislang… Und das für Punk-kompatible 5 Huronen! Übrigens noch ein Grund, sich ranzuhalten: Es wird voraussichtlich bei der einen Nummer bleiben. Erfahren im untenstehenden Interview mit Ferdinand F.:

BN: Das habe ich mir doch richtig gedacht -keine der Stories ist “echt” oder gar von den Interviewten freigegeben?
FF: Wir haben anfangs noch ein paar Geschichten zu den Interviewten geschickt, aber das aufgrund von fast nicht vorhandenen Reaktionen irgendwann eingestellt. Zwei oder drei sind im Vorfeld tatsächlich autorisiert worden.

BN: Gab es denn zumindest teilweise Interviews als Story-Grundlage?
FF: Ein paar der Besuchten kennen wir persönlich und es gab auch schon mal echte Interviews. Was aber alles keine Grundlage fürs HSM war.

BN: Wie seid ihr also auf diese Idee gekommen?
FF: Roland und ich spielen seit fast zehn Jahren in einer gemeinsamen Band (Club Deja-vu) und nach sechs Jahren ist uns aufgefallen, dass wir noch nie unseren Schlagzeuger zuhause besucht hatten. Für unser Fanzine “Der Großmasturbator” wollten wir eine Homestory mit ihm machen, aber es kam nie dazu, weil der uns nicht reinlassen wollte. Da haben wir einfach eine erfunden. Das hat irgendwie so Bock gemacht, dass wir es weiter gesponnen haben…

BN: Wieviele HSM habt ihr produziert?
FF: Die Auflage ist 20.000 Expl.

BN: Wollt ihr wirklich (wie in einer Rezension vermutet) nur die eine Nummer machen? Falls ja: warum?
FF: Ich denke, dass es bei der Nummer 1 bleiben wird. Das Ganze ist ein Gag, und den muss man nicht öfter erzählen.

BN: Was ist das für ein “Anzeigen”-Motiv auf S. 50 – komme mit www.gestaltor.de nicht wirklich weiter (Error 403: Forbidden)?
FF: Gestaltor sind die Jungs aus Augsburg, die uns das Layout gemacht haben. Aber so heißen die in Wirklichkeit auch nicht. Die suchen gerade noch nach einem Firmennamen.

BN: Wenn Tobias Scheisse Gaststar bei einer Eurer Lesungen ist, wie ich zufällig sah- vielleicht war sein Interview ja dann DOCH echt…???
FF: Es werden noch mehr HSM Besuchte auf den Lesungen aufkreuzen. Das ist schön und legitimiert praktisch unser ganzes Treiben.

Keine Wertung


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