Roland Freisitzer gelingt mit seinem dritten Roman „Hyänen“ ein Text von großer politischer Aktualiät.

Um etwaige Steuerunregelmäßigkeiten zu prüfen reist der Regierungsbeamte Simon in eine namenlos bleibende Stadt. Sein Zielort liegt isoliert in einem Tal, umgeben von klaustrophobisch-hohen Bergen und ist nur über den Luftweg zu erreichen. Als sein Flugzeug mitten in der Nacht landet, ist er der einzige Passagier, der die Maschine verlässt, die direkt danach wieder abhebt.
Als das Anschnallzeichen erlosch, blieben alle Passagiere
sitzen. Ich beschloss zu warten. Schon eilte eine der Flugbegleiterinnen den
Gang entlang und suchte mit strengem Blick die Reihen ab.
„Sie verlassen uns hier (…) “
Mein Sitznachbar machte keine Anstalten aufzustehen, er starrte geistesabwesend
auf seine Hände, die er vor seiner Nase verschränkt hielt.“
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Freisitzer wirft seinen Protagonisten in eine kafkaeske Kulisse. Weitere Merkwürdigkeiten geschehen. Im Hotel ist Simon der einzige Gast. Er macht die Bekanntschaft von Maria, einer attraktiven Frau, die sehr offensichtlich ein Geheimnis hat. Auch alle weiteren Personen, die er trifft oder beobachtet, verhalten sich befremdlich. Die ganze Stadt tickt seltsam. Simon entdeckt immer weitere irritierende Indizien, die auf kriminelle Manipulationen hinweisen. So sind z.B. in der Bücherei alle Seiten in von Frauen verfassten Büchern leer. Die Rathaus-Öffnungszeiten werden willkürlich verändert, um ihn am Betreten des Gebäudes zu hindern, Kopiergeräte verschwinden, Akten ebenfalls. Nur schwerlich findet er Zugang zu seinen Ermittlungen.
Die Realität, die Freisitzer hier zeichnet, ist eindeutig verzerrt. Zivilisatorische Gewissheiten lösen sich auf, je mehr Simon hinter die Fassaden blickt. Ein System grausamer Repression und absoluter Macht kommt zum Vorschein. Die Machthaber beherrschen die staatlichen Institutionen ebenso wie die Presse. Widerstand existiert nur im Untergrund.
Der Roman entwickelt eine enorme Sogwirkung. Von Beginn an liegt ein gewisses Unbehagen in der Luft, das Freisitzer geschickt zu füttern weiß. Diese Spannung wird durch seine klare Sprache gekonnt im Gleichgewicht gehalten. Durch die Ich-Perspektive erzeugt er eine große Nähe zur Hauptfigur, dessen Wunsch nach Aufklärung die Handlung vorantreibt. Die Leser:innen sind eingeladen, sich an allen Spekulationen zu beteiligen, wodurch sie dem durch die Handlung befangenen Protagonisten leicht einen Schritt voraus sind. Das drohende Unheil kündigt sich an, ohne dass es klar formuliert werden muss.
Je mehr Simon hinter die Wahrheit kommt, desto auswegsloser wird für ihn die Situation. Er verstrickt sich immer mehr. Am Ende scheitert Simon, weil er sich an die Regeln der Rechtstaatlichkeit klammert, während seine Gegner diese schon längst nicht mehr befolgen. Indem sie die Spielregeln zu ihren Gunsten verändern, können sie die Realität neu definieren. In diesem Sinne erscheint der erste Satz des Romans plötzlich wie ein Hinweis, auf das, was Ich-Erzähler und Leser:in gemeinsam zu erwarten haben: Das Erwachen in einer Diktatur.
Turbulenzen rissen mich aus dem Traum.
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Fazit: „Hyänen“ ist Literatur von zeitloser politischer Relevanz. Freisitzer formuliert eine düstere Mahnung. Er zeigt: In einem Staat gibt es weder Schutz noch Gerechtigkeit für den Einzelnen sobald sich die Gewaltenteilung in eine Autokratie verwandelt hat.
- Autor: Roland Freisitzer
- Titel: Hyänen
- Verlag: Septime Verlag
- Erschienen: März 2025
- Einband: Gebundene Ausgabe
- Seiten: 168 Seiten
- ISBN: 978-3991200574

Wertung: 13/15 dpt