Tommie Goerz – Schafkopf (Buch)

Ja, ja, der Brunzkaddler

Schafkopf
© ars vivendi

In einem abgelegenen Felsenkeller findet der Betreiber einer nahegelegenen Schankbude am Waldrand von Kalchreuth eine Leiche. Ein Schock, dem er wenig später durch Herzversagen selber zum Opfer fällt. Aber selbst den erfahrenen Polizisten vor Ort setzt der Fall schwer zu, denn der unbekannte Tote wurde wortwörtlich gesprengt. Eine Mine als Tatwaffe sieht man selten und fast ebenso verwunderlich ist, dass dem Opfer ein Trikot des 1. FC Nürnberg in den offenen Bauchraum gesteckt wurde. Für Kommissar Friedo Behütuns gibt es folglich gleich mehrere Spuren, denen er nachgehen kann. Das Trikot trägt den Spielernamen von Aaron Suess und das Logo des Clubsponsors Savitas.

Suess ist Jude und gebürtiger Israeli, ein rechtsextremer Hintergrund könnte gegeben sein, aber ebenso ein Ausarten zwischen verfeindeten Fans von Nürnberg und Greuther Fürth, von wo Suess unlängst zum Club wechselte. Auch ein militanter Atomkraftgegner könnte hier ein Zeichen setzen wollen, denn Savitas ist ein französisches Unternehmen, welches weltweit Atomwerke baut.

„Das ist alles nicht so ganz einfach. Es ist ja kein Krimi, in dem immer alles flutscht. Das hier ist die Realität.“

„Okay. Dann weiter mit Mutmaßungen im Nebel.“

Viel zu tun, wenig Konkretes. Es dauert jedoch nicht lange und es gibt einen weiteren Toten. Ebenfalls von einer Mine zerfetzt, trifft es den Betreiber der Savitas-Kantine. Als kurz darauf aus der Schweiz ein Hinweis auf ein ähnliches Verbrechen im Tessin eingeht, sehen sich Behütuns und Kollegen einem Serienmörder gegenüber, den sie mangels konkreter Spuren nicht greifen können. Dann allerdings eilt den Polizisten der bekannteste Ermittler aller Zeiten zur Hilfe; Kommissar Zufall.

„Stammt aus Russland, wurde nur eine kurze Zeit Anfang der 1970er-Jahre gebaut, dann wieder eingestellt. Man hielt, makaber, makaber, die Sprengkraft für nicht ausreichend. Exemplare dieser Mine sind aber wieder im Kosovo aufgetaucht. Es sind also noch Exemplare im Umlauf. Diese Information stammt von den NATO-Spezialisten der KFOR-Truppen.“

„Leute, wir kommen vorwärts.“

Start der Friedo-Behütuns-Reihe

Fangen wir ausnahmsweise mit dem Ende des Buches an, denn dort verrät Autor Tommie Goerz („Frenzel“, „Meier“, „Im Tal“ und aktuell „Im Schnee“), dass der Auftakt der bislang zehnbändigen Friedo-Behütuns-Reihe (2010-2023) eigentlich unter dem Titel „Brunzkaddler“ erscheinen sollte. Man kann den Verlag verstehen, dass er diesen wohl für wenig verkaufsfördernd ansah. Mitunter geht es sprachlich sehr fränkisch zu, so dass aus dem Brunzkartler eben der Brunzkaddler wird. Wer beide Begriffe oder gar Schafkopf nicht kennt, wird an einigen Stellen unwichtige Verständnisschwierigkeiten haben, aber Dialekte können ja zur lustigen Unterhaltung beitragen; so im vorliegenden Fall.

Wie man zum Bayern-Fan werden kann, ist erklärlich. Das kommt ja massenhaft vor – und das liegt nicht an den kleinen, weißen, glitschigen Hoeneß-Würstchen aus den Discountern, sondern einzig und allein daran: Erfolgssucht, es – oder alles – problemlos und einfach haben, nicht leiden zu wollen, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, Fettauge zu sein.

Etliche Dialoge, zum Beispiel jene zwischen Behütuns und einem Psychologen, sind recht schräg, was auch für die polizeilichen Ermittlungen zutrifft. Gewalttätige Auseinandersetzungen in der Fußballfanszene mit Minen? Da kommt nicht jeder drauf, aber so hat der Autor die Möglichkeit, die Presse in Form der BLÖD-Zeitung – heißt im Roman anders (frei nach Loriot: „Ach was.“) – und deren teils zweifelhafte Methoden ordentlich anzugreifen. Mit dem Sponsor des Clubs bietet sich zudem eine Angriffsfläche gegen die Atomenergie. Granteln gehört halt dazu, was nicht selten unfreiwillig komisch wirkt. Es fängt ja schon beim Namen an: „Friedo, behüt uns“, also quasi Blasphemie.

Behütuns ist ein kauziger Ermittler, der Fans von Kluftinger und Co gefallen dürfte. Man darf die Polizeiarbeit nicht allzu ernst nehmen, unterhaltsam ist sie dennoch und wie manche „Spuren“ miteinander verbunden werden ist gekonnt. Wer also nicht nur auf (nun ja) Spannung setzt, sondern ein lachendes Auge mitnehmen möchte, darf gerne zugreifen. „Kultstatus“ hat die Serie ohnehin. In diesem Sinne: „Die wird g’schbaldn! G’lehchd hasd ah nu? Ouala, des kann teuer wer’n! Schbridse!“

  • Autor: Tommie Goerz
  • Titel: Schafkopf (Neuauflage)
  • Verlag: ars vivendi
  • Umfang: 280 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: November 2020
  • ISBN: 978-3-86913-981-4
  • Produktseite

Wertung: 11/15 dpt

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